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Sieben Jahre nach weltwärts

Ehemalige Freiwillige reflektieren ihre Erfahrungen

Paul und Tilman

Einsatzort: Äthiopien

Organisation: GIZ

Anfang 2020 haben sich Freiwillige, die mit der GIZ 2011/2012 in Äthiopien waren, in Berlin erneut getroffen, um sich über ihren Lebensweg danach und ihre Erfahrungen während des weltwärts-Freiwilligendienstes auszutauschen. Sie stellten fest: Ihre Erfahrungen waren gleichermaßen individuell und gemeinsam – und verbinden sie bis heute miteinander.

Wir, der Jahrgang 2011/2012 der weltwärts-Freiwilligen der GIZ in Äthiopien, trafen uns Anfang Januar 2020 in Berlin zu einem Wiedersehenswochenende. Als Gruppe von zwölf frisch gebackenen Abiturientinnen und Abiturienten waren wir damals nach Äthiopien gegangen, um dort unseren Freiwilligendienst als Assistenzlehrerinnen und -lehrer zu leisten. Nach unserer Rückkehr im Spätsommer 2012 begannen wir unsere jeweiligen Ausbildungswege und neuen Lebensabschnitte an verschiedenen Orten.

Das Leben nach weltwärts

Wir alle waren natürlich sehr gespannt darauf herauszufinden, was die letzten siebeneinhalb Jahre mit uns gemacht haben und welche Lebensereignisse sich für die anderen ergeben hatten. Lebensereignisse – das sind laut Definition von Facebook „wichtige Momente deines Lebens“, die sich in die Hauptkategorien „Arbeit“, „Ausbildung“, „Beziehung“, „Haus“ und „Wohnen“ sowie „Familie“ und die Nebenkategorien „Reise“, „Interesse“, „Aktivitäten“ und „Wellness“ unterteilen lassen. Während in der Kategorie „Haus“ leider noch wenig zu vermelden war, hatten sich in der Kategorie „Familie“ bereits einige handfeste Veränderungen ergeben.

Größere Gemeinsamkeiten konnten wir vor allem mit Blick auf die Kategorie „Ausbildung“ feststellen: Die meisten von uns befinden sich momentan - siebeneinhalb Jahre später – noch im Studium oder im Übergang ins Arbeitsleben. Man wird behaupten können, dass die Entscheidung für einen Freiwilligendienst auch im weiteren Leben die Wertschätzung für Möglichkeiten „sich Zeit zu lassen“ förderte.

Auch alle weiteren Fragen der Neben- und Hauptkategorien boten natürlich Stoff für Gespräche unterschiedlicher Intensität und in immer verschiedenen Konstellationen untereinander. Ohnehin verbrachten wir große Teile des Wochenendes in sich verändernden Zusammensetzungen, in Erinnerung an alte Zeiten.

Elf junge Menschen sitzen in einem Restaurant an einem langen Tisch und lächeln in die Kamera. Auf dem Tisch stehen Platten mit unterschiedlichen äthiopischen Snacks.
Siebeneinhalb Jahre später in Nord-Charlottenburg.

Erinnerungen an den Freiwilligendienst

Trotz unserer sehr individuellen Erfahrungen und den ganz verschieden geprägten Einsatzorten gibt es zahlreiche Erinnerungen und gewonnene Vorlieben, die wir im Nachhinein alle miteinander teilen. Bei aller Vielfalt der regional sehr unterschiedlichen äthiopischen Küche, brachte unser vollzähliger Besuch des äthiopischen Restaurants Addis Abeba dieses Gemeinsame unserer Erfahrungen sicherlich am eindrücklichsten wieder zum Vorschein.

Anschließend schauten wir alte Fotos bei einem äthiopischen Habesha-Bier an, wobei es diese Marke während unseres Aufenthalts unglücklicherweise noch gar nicht gegeben hatte. Das Eintauchen in eigene und geteilte Foto-Erinnerungen bot dabei – durchaus zu unser aller Überraschung – einen der eher wenigen Anlässe, uns gegenseitig bestimmte Ereignisse und Gegebenheiten, einzelne Bekanntschaften oder ganz andere Momente unseres Äthiopien-Jahres in Erinnerung zu rufen. Die vielfältigen Begebenheiten aus der Zeit seit unserem Freiwilligendienst boten uns ansonsten bereits ein Übermaß an neuem Gesprächsstoff.

In unseren Schulen waren wir mit unterschiedlichen Aufgaben betraut; von der Englischnachhilfe bis hin zu künstlerischen Inhalten oder Sportclubs.

Der Alltag während des Freiwilligendienstes

Abgesehen von den Wochen unserer gemeinsam verbrachten Vorbereitungsseminare in Deutschland und Äthiopien sowie dem Zwischen- und Abschlussseminar in Addis Abeba unterschieden sich unsere Erinnerungen entsprechend unserer Einsatzorte. Zahlreiche Gegebenheiten unseres Alltags gestalteten sich dennoch recht ähnlich, nicht zuletzt, da wir allesamt in größeren Städten und an Schulen eingesetzt waren.

Unsere Tätigkeit als Assistenzlehrer und -lehrerinnen bot uns dabei besondere Möglichkeiten: Wir konnten an unsere eigenen Schulerfahrungen anknüpfen und enge Kontakte zu Schülerinnen Schülern sowie zu Lehrern und Lehrerinnen aufbauen. In unseren Schulen waren wir mit unterschiedlichen Aufgaben betraut; von der Englischnachhilfe bis hin zu künstlerischen Inhalten oder Sportclubs. Einige von uns wurden auch außerhalb ihrer schulischen Tätigkeiten aktiv. Manche setzten Spendenprojekte für ihre Schulen um, andere konzentrierten sich wiederum auf die Förderung bestimmter Schülerinnen und Schüler.

Für uns alle stellte die Schule aber nur einen neben zahlreichen anderen Aspekten unseres Alltags dar: Wir verbrachten Zeit mit äthiopischen Freunden und anderen „Expats“ und gingen dem Alltagsleben, zum Beispiel auf dem Markt, oder unseren Hobbys, wie etwa dem Kaffeetrinken, nach.

Den Gelegenheiten, die sich uns boten, „Land und Leute“ kennenzulernen und an unseren Schulen aktiv zu sein, standen hin und wieder Überforderungen entgegen. Zwischenmenschliche Herausforderungen in unseren Freundeskreisen, Schwierigkeiten mit den Lehrkräften auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, Frustrationen aufgrund organisatorischer Abläufe oder auch ganz persönliche Unsicherheiten, sich für einen eigenen Ausbildungsweg zu entscheiden.

Männer und Frauen sowie ein kleines Kind aus Äthiopien sitzen an Schulbänken, die sich draußen im Freien auf einer Wiese befinden. Im Hintergrund an der letzten Schulbank sitzt der weltwärts-Freiwillige Paul, neben einer anderen Freiwilligen.
Zu Assistenzlehrerinnen und -lehrern befördert inmitten des Lehrerkollegiums: Der erste Schultag des Jahres.

Mit den Realitäten der Entwicklungszusammenarbeit in Berührung gekommen zu sein und in einem Land des Globalen Südens gelebt zu haben, hat unser Verständnis für weltumspannende Zusammenhänge und ihren Ausdruck in lokalen Verhältnissen beeinflusst.

Ein weltwärts Freiwilligendienst verbindet

Obwohl sich die meisten von uns in Äthiopien nicht regelmäßig sahen und wir uns teilweise nach unserer Rückkehr wieder aus den Augen verloren, verbinden uns letztlich doch diese vielfältigen individuellen und gleichermaßen gemeinsamen Erfahrungen; wir haben uns ziemlich gut kennengelernt. Es war überraschend und schön, wie selbstverständlich bekannt und vertraut wir uns geblieben waren. Allein diese Möglichkeit, sich eine langjährig fortbestehende Verbundenheit ins Bewusstsein zu rufen, war wertvoll – ganz abgesehen von dem Austausch fotografischer und anekdotischer Erinnerungen. Nach diesem Wochenende ist in der Chat-Gruppe zur „Ethiopia Reunion“ zwar wieder Ruhe eingekehrt, in der Gruppenbeschreibung sind nun aber unsere aktuellen Adressen für spontanere Besuche eingetragen, die uns allen in Zukunft bestimmt viel selbstverständlicher sein werden.

An diesem Wochenende standen für uns die unmittelbaren Erfahrungen des Freiwilligendienstes und der Zeit danach im Vordergrund. Mit Sicherheit hat uns das Freiwilligenjahr geprägt und teils auch die Richtungen unseres gesellschaftlichen Engagements und unserer Studiengänge mitbestimmt. Mit den Realitäten der Entwicklungszusammenarbeit in Berührung gekommen zu sein und in einem Land des Globalen Südens gelebt zu haben, hat unser Verständnis für weltumspannende Zusammenhänge und ihren Ausdruck in lokalen Verhältnissen beeinflusst.

Der Nachhall des weltwärts-Jahres für uns persönlich ist schwer zu bemessen und noch viel schwerer zu konkretisieren, nicht zuletzt, da wir nach dem Ende unserer eigenen Schulzeit ohnehin in einer Umbruchphase steckten. Außer Frage steht für uns alle, dass das Freiwilligenjahr auch in der Rückschau ein herausgehobener und besonders intensiver Abschnitt unseres Lebens geblieben ist und auch nach siebeneinhalb Jahren nachwirkt; es war es also wert.

Eine Gruppe junger Menschen steht draußen im Freien nah beieinander und lächeln in die Kamera. Im Vordergrund ist ein Hund zu sehen, im Hintergrund eine Mauer sowie Bananenbäume.
Gruppenfoto mit Hund in Addis Abeba.

Weitere Informationen

Mit diesen Organisationen kannst auch du einen weltwärts-Freiwilligendienst in Äthiopien machen:

artefact gGmbH für globales Lernen und lokales Handeln:

Zur Website artefact gGmbH für globales Lernen und lokales Handeln

Zur Website des CVJM – Gesamtverband in Deutschland e.V.