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Am 8. März, dem internationalen Frauentag, wird weltweit für mehr Frauenrechte und Gleichstellung demonstriert. Denn noch immer verdienen Frauen oft weniger als Männer für die gleiche Arbeit, übernehmen einen Großteil unbezahlter Care Arbeit und sind häufiger Opfer von häuslicher Gewalt und sexueller Belästigung. In Gambia unterstützt Julia Sieber seit Oktober 2023 als weltwärts-Freiwillige die Organisation „The Girls‘ Agenda“, die sich für Frauen und Mädchen stark macht.
Die 26-Jährige ist nach ihrem Masterstudium mit der Organisation VolNet e.V. weltwärts gegangen und absolviert für insgesamt 10 Monate ihren Freiwilligendienst in der Frauenrechtsorganisation „The Girls' Agenda“ in Gambia in Westafrika. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) hat ihr Büro in Brikama, der zweitgrößten Stadt des Landes, und befasst sich mit Themen wie Gewalt gegen Mädchen und Frauen, geschlechterspezifischer Gewalt, weiblicher Genitalverstümmelung, Menstruation, Kinderarbeit und Kinderehen sowie Leadership und Mentoring.
Julia: Bevor ich hierhin gekommen bin, habe ich meinen Master in Management abgeschlossen. Ich habe aber schon immer viel Freiwilligenarbeit bei den Pfadfinder*innen in Deutschland gemacht. Dort war ich auf internationaler Ebene aktiv und arbeite auch jetzt noch mit der „World Association of Girl Guides and Girl Scouts“ (Weltorganisation der Pfadfinderinnen) auf Europaebene. Daher kommt mein feministischer Fokus und das war auch der Grund, warum ich mich für diese weltwärts-Einsatzstelle beworben habe. Für mich war klar: Wenn ich ins Ausland gehe, dann wirklich auch für ein Thema, das mich beschäftigt.
„Ich finde es toll, dass es Einsatzstellen im Bereich Frauenrechte gibt. Mir als Aktivistin in Deutschland oder Europa gibt das einen neuen Blickwinkel, der sehr wertvoll ist. Auch für die Arbeit, die ich in Zukunft machen möchte.“
Julia: Wir veranstalten beispielsweise einen Youth Safe Space. Das ist ein wöchentliches Treffen, bei dem wir rund 20 bis 25 junge Menschen einladen. Da geht es um unterschiedliche Themen: Wir machen beispielsweise viel zum Thema FGM (Female Genital Mutilation), also weibliche Genitalverstümmelung und geschlechterspezifische Gewalt. Wir haben aber auch schon Kinderrechte und andere Themen besprochen.
Dazu machen wir dann entweder Inputsessions mit anschließender Diskussionsrunde oder bieten Workshopformate an, bei welchen die jungen Menschen miteinander und mit uns diskutieren können. Dabei können sie mitbringen was sie gerade beschäftigt und wir setzen das in einen Kontext und sagen ihnen zum Beispiel was ihre Rechte sind. Je nach Thema laden wir auch Expert*innen ein. Damit einher geht das Schreiben von Reports, das Zusammenfassen von dem, was in unseren Sessions gemacht und besprochen wurde. Außerdem helfe ich beim Erstellen von Social Media Content und unterstütze bei Anträgen für die Finanzierung von Projekten.
Ich darf auch an Events und Konferenz teilnehmen, was sehr spannend ist. Vor einigen Wochen war ich beispielsweise bei der National Conference on Female Genital Mutilation. Ich bin sehr dankbar, dass ich daran teilnehmen und in dem Bereich so viel lernen darf. Man spricht von etwa 73 Prozent der Frauen in Gambia, die beschnitten sind. Das ist ein riesiger Anteil und das trotz gesetzlichem Verbot, das es seit 2015 gibt. Da gibt es sehr viel zu tun.
Julia: Ja, das ist sehr politisch. Ich interessiere mich auch stark für das Big Picture: Wie kann es überhaupt dazu kommen, dass Frauen noch beschnitten werden, wenn es doch ein Gesetz dagegen gibt und wer sind die Befürworter*innen der Praxis? Das sind Makrofragen, die ein riesengroßes Lernfeld für mich bieten.
Julia: Am Anfang war es viel Input. Ich bin sehr dankbar, dass meine Kolleginnen alle sehr offen über die sensiblen Themen sprechen und mir sagen, wie gerade der Stand in Gambia ist in Bezug auf Gleichberechtigung und was FGM angeht. Eine Herausforderung ist außerdem, dass gerade junge Mädchen oft sehr schüchtern sind. Ich habe mittlerweile Wege gefunden, wie es gut funktioniert, die Mädchen im Youth Safe Space dazu zu ermutigen teilzunehmen und ihre Fragen zu stellen. Aber am Anfang fiel das noch eher schwer.
Julia: Ich glaube es hat viel mit der Erziehung zu tun. Ich lebe in einer Gastfamilie und habe eine richtig tolle Gastschwester in meinem Alter. Sie beantwortet mir meine Fragen immer sehr offen und sie sagt auch: „Wir sind so erzogen. Wenn jemand Älteres spricht, halten wir uns zurück. Wenn es Essen gibt, konzentrieren wir uns als Mädchen auf den Reis und nicht auf das Fleisch.“ Die Erziehung geht in diese Richtung und dann ist es natürlich schwierig, wenn Mädchen und junge Frauen plötzlich einen Raum bekommen, in dem sie gesagt bekommen: „Stellt Fragen und teilt eure Sorgen, Bedenken oder Erlebnisse (natürlich immer freiwillig).“ Da braucht es viel Feingefühl.
Julia: In Gambia ist es vor allem die stark patriarchale Struktur, die vorherrscht. Es gibt eine sehr große Ungleichheit basierend auf dem Geschlecht. Als junge Frau hat man es hier schwer. In der Gesellschaft bedeutet Alter gleich Expertise und männliche Personen haben normalerweise die hohen Positionen und sorgen für die Familie. Das Frauenbild ist: Eine gute Frau hat kochen und waschen zu können. Dass eine Frau Kinder will, wird vorausgesetzt. Es gibt eine sehr klare Vorstellung von der „perfekten“ Frau.
Und in Deutschland: Ich komme aus dem ländlichen Raum und ich glaube ein großes Problem ist, dass Menschen teilweise nicht wahrnehmen, dass Ungleichheit besteht. Auch da gibt es noch viel zu tun, allein schon, wenn man sich anschaut wie viel unbezahlte Care Arbeit von Frauen in Deutschland geleistet wird und wie viel von Männern oder wenn man einen Blick auf die Gender-Pay-Gap wirft. Mal abgesehen davon, dass es in Deutschland Frauen gibt, die von Periodenarmut betroffen sind und auch in Deutschland gibt es Vergewaltigungen und Femizide. Ich könnte hier noch lange weitermachen, aber belasse es mal bei ein paar Beispielen.
Ich denke, die Themen in Gambia sind andere und öfter körperliche, wie Beschneidung und Gewalt. In Deutschland geht es mehr um die strukturelle Ungleichheit. Die gibt es in Gambia natürlich auch, aber andere Themen haben aktuell größere Priorität.
Julia: Ich wünsche mir, dass sich Mädchen und Frauen überall auf der Welt sicher fühlen und gleichberechtigt in der Gesellschaft teilnehmen und ihren Beitrag leisten können.
Julia: Auf jeden Fall Gastfreundschaft. Dann Ataya, das ist ein Grüntee, den man hier viel trinkt. Und wahrscheinlich Sonne! Hier ist es einfach immer sonnig und warm.
Julia: Das wichtigste ist Offenheit und sich nicht so genau vorher vorzustellen wie es aussehen wird. Es kommt sowieso anders als gedacht. Ich kann nur dazu ermutigen, das zu machen. Bisher bereue ich es nicht. Es sind immer wieder herausfordernde Situationen und Zeiten, aber grundsätzlich bin ich froh, dass ich diese Erfahrung machen darf. Und dass ich eine andere Perspektive auf die Welt bekommen darf.
Vielen Dank für den spannenden Einblick in dein Projekt!