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Der Weltflüchtlingstag am 20. Juni ruft zur Solidarität mit Geflüchteten weltweit auf. Aktuell sind mehr als 100 Millionen Menschen auf der Flucht, die bisher höchste Zahl an geflüchteten Menschen, die jemals registriert wurde. Umso wichtiger ist es sich über die aktuelle Lage bewusst zu werden und sich aktiv zu engagieren, da jeder Mensch das Recht auf Sicherheit und Schutz verdient hat.
Zum aktiven Engagement entschied sich auch Antonia. Sie leistet ihre Freiwilligenarbeit in einer Geflüchteten-Unterkunft der Organisation „Cenderos“ in San José, der Hauptstadt Costa Ricas. „Cenderos“ arbeitet mit Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten insbesondere aus Venezuela, Kolumbien und Nicaragua. Die Organisationen unterstützt die Menschen bei der Suche nach Wohnraum und Arbeit sowie bei bürokratischen Prozessen. Zusätzlich erhalten die Geflüchteten Hilfe beim Integrationsprozess. Dabei wird besonderer Fokus auf Frauen und Jugendliche gelegt.
Antonia ist aktuell als weltwärts-Freiwillige mit ihrer Entsendeorganisationen AFS vor Ort in Costa Rica. In der Partnerorganisation „Cenderos“ ist sie vor allem im „Casa Mixta“ im Einsatz, in dem insbesondere Familien mit Vätern und Menschen, die der LGBTQ+ Community angehören, unterkommen. Auch im „Casa de las Mujeres“, einem der Frauenhäuser der Organisation, unterstützt sie die Mitarbeitenden.
Antonia: „Ich übernehme die Aufgaben, die nicht unter die zwingend notwendigen Hilfeleistungen fallen, aber dennoch zur Steigerung des Wohlbefindens der Menschen beitragen. Beispielsweise kochen und backen wir zusammen traditionelle Gerichte aus den Heimatländern der Menschen, ich spiele viel mit den Kindern und helfe bei ihren Hausaufgaben, ich unterstütze bei der Wohnungssuche und leiste emotionale Unterstützung.“
Antonia: „Die meisten Frauen in den beiden Unterkünften haben in ihrem Heimatland und/oder auf der Flucht sexualisierte Gewalt erfahren und alle Geflüchteten tragen ihr individuelles Trauma von den jeweiligen Fluchtursachen und der Erfahrung der Flucht selbst. Insbesondere für die Kinder ist es wahnsinnig schwer mit diesen Erfahrungen umzugehen und wieder zur Normalität zurückzukehren. Sie haben keinen geregelten Tagesablauf, ihre Bildung ist oft zu kurz gekommen und sie müssen viele alltägliche Dinge erst (wieder) erlernen.
Kinder weltweit sind sich meiner Erfahrung nach erstaunlich ähnlich, nur, dass die Kinder, mit denen ich arbeite, so viel weniger Chancen und Privilegien besitzen.
Antonia: Was mich jedoch fasziniert und berührt hat, ist zu sehen, dass sie trotzdem in vielem so ähnlich sind wie beispielsweise die Kinder, die ich in meiner Heimatstadt in Deutschland babysitte. Sie sind neugierig, begeisterungsfähig, feinfühlig, wissensdurstig und freudig. Sie spielen gerne die gleichen Spiele, freuen sich über das Keksteignaschen und streiten sich über die gleichen Themen mit ihren Geschwistern.
Ich war mir schon vor meinem Auslandsdienst der gewaltigen Chancenungleichheit und sozialen Ungerechtigkeit bewusst, doch das tagtäglich zu erleben, hat mich auf andere Weise für das Thema sensibilisiert. Kinder weltweit sind sich meiner Erfahrung nach erstaunlich ähnlich, nur, dass die Kinder, mit denen ich arbeite, so viel weniger Chancen und Privilegien besitzen. In meinem Projekt schule ich also primär meine emotionalen Fähigkeiten, Sozialkompetenzen, meine Fähigkeit Kontakt aufzubauen und auf Menschen zu zugehen und meine zwischenmenschliche Kommunikation.“
Antonia: „Einer der Gründe, warum meine Arbeit in meinem Projekt nützlich und wichtig ist, besteht darin, dass ich als Freiwillige in einem fremden Land die Lage und das Lebensgefühl der Menschen nachempfinden kann. Natürlich sind wir aus diametral unterschiedlichen Gründen hierhergezogen und es wäre vermessen zu behaupten, dass ich das Leid und die Angst der geflüchteten Menschen tatsächlich nachempfinden kann, doch machen sie wie ich Erfahrungen der Fremdheit und Orientierungslosigkeit, wir alle fühlen uns oft verloren und manchmal hilflos.
Ich glaube, da wir Verständnis für viele Aspekte der Erfahrung des Lebens in einem fremden Land der*des jeweils anderen haben, können wir uns auf Augenhöhe begegnen, eine emotionalere Bindung eingehen und offener über Herausforderungen sprechen. Das ist für mich eine sehr wichtige, bereichernde und lehrreiche Erfahrung. Mit den Migrant*innen zu reden und vor allem ihnen zu zuhören, gehört ebenfalls zu meinem Aufgabenbereich. Ich weiß selbst, wie wichtig es ist, sich gehört und in seinen Erfahrungen validiert zu fühlen, denn nicht viele Menschen verstehen, wie es sich anfühlt vieles zurückzulassen und in „das Unbekannte“ auszubrechen.“
Antonia: „Wenn ich eine besonders einprägsame Erfahrung benennen müsste, wäre es das Abschiednehmen. Zusammen mit meinem Antritt des Auslandsdienstes ist eine Familie im Casa Mixta eingezogen. Diese Familie habe ich von Beginn an betreut und insbesondere zu den drei jüngeren von den insgesamt vier Kindern auch eine ziemlich enge emotionale Bindung aufgebaut. Die Familie ist letzte Woche in eine Wohnung umgezogen, da mit der amtlichen Entscheidung über den Aufenthaltsstatus der Mutter ihr Anspruch auf Flüchtlingshilfe erloschen ist. Es ist mir schwer gefallen die Kinder zu verabschieden, denn ich habe sie nicht nur betreut und viel Zeit mit ihnen verbracht, sie haben auch mich in meiner Eingewöhnungsphase im Projekt und beim Spanisch lernen unterstützt. Ich werde sie sehr vermissen.“
weltwärts: Vielen Dank für das Interview!