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Am 3. Mai wird jährlich im Rahmen des internationales Tages der Pressefreiheit auf die grundlegende Bedeutung freier Berichterstattung für Demokratien sowie auf Verletzungen der Pressefreiheit aufmerksam gemacht. In vielen Ländern kämpfen Journalist*innen jedoch weiterhin gegen Zensur und für freie Berichterstattung.
Die 19-Jährige Emilia Maraszek ist im August 2023 weltwärts nach San Cristobal de las Casas in Chiapas, Mexiko gegangen. Über die Entsendeorganisation Welthaus Bielefeld e.V. engagiert sie sich in dem Projekt Boca de Polén. Im Interview erzählt sie von den Herausforderungen der täglichen Arbeit mexikanischer Journalist*innen und warum Mais in Mexiko für sie nicht ausschließlich eine kulinarische Bedeutung hat.
Emilia: In Deutschland habe ich mein Abitur beendet und war neben der Schule schon seit einigen Jahren politisch aktiv. Mit 17 habe ich außerdem angefangen mich bei Radio CORAX, dem freien, nicht-kommerziellen Radio in Halle zu engagieren. Dort habe ich meine eigenen Sendungen zu politischen und kulturellen Themen veröffentlicht wie beispielsweise Feminismus, Klimagerechtigkeit und Literatur.
Emilia: Durch meine Zeit bei CORAX habe ich Radio als inklusives und einfach zugängliches Medium kennengelernt, das zahlreiche Stimmen hörbar machen kann, die sonst nicht oder kaum gehört werden und eine Plattform für soziale Bewegungen bietet.
Von den politischen Kämpfen in Mexiko zu lernen, war eines meiner Hauptziele während meines Freiwilligendienstes, deshalb habe ich mich entschieden bei Boca de Polén zu arbeiten.
Emilia: Ich arbeite in einem Kommunikationsnetzwerk in Mexiko. Schwerpunkte der Arbeit sind die Produktion und Diffusion von Radiobeiträgen zu politischen und kulturellen Themen, der Aufbau eines Onlinearchives für Audio- und didaktisches Material, die Vernetzung mit anderen zivilen Organisationen und die Begleitung indigener und freier Radiosender.
Emilia: Ich beschäftige mich hauptsächlich mit der Produktion von Beiträgen. Das bedeutet ich besuche mit meinen Kolleg*innen Veranstaltung und führe Interviews, schreibe und nehme die Moderation auf und schneide am Ende daraus einen 5 bis 10 Minuten langen Beitrag. Außerdem helfe ich im Archiv beim Katalogisieren alter Sendungen und lade diese auf unsere Website hoch. An manchen Wochenenden fahren wir auch in die umliegenden Dörfer, um die dort ansässigen freien Radios zu unterstützen und Workshops zu geben.
Emilia: Die Pressefreiheit in Mexiko ist stark bedroht. Die in den letzten Jahren immer weiter gestiegene Gewalt betrifft auch Journalist*innen. Drohungen, das Verschwinden, bis hin zum Mord von Pressevertreter*innen sind keine Einzelfälle. Die Wahlen dieses Jahr verschärfen diese Situation noch zusätzlich.
Boca de Polén arbeitet vor allem mit indigenen und lokalen Kommunikator*innen zusammen, die sich in einer besonders schwierigen Situation befinden, da sie als Teil ihres Dorfes örtlich verwurzelt und besonders angreifbar sind. Zudem verteidigen sie oft ihr eigenes Territorium und Rechte und sind damit als Aktivist*innen doppelt von Repression und Verfolgung bedroht.
In meiner Zeit in Mexiko ist mit vor allem die Autozensur innerhalb der Berichterstattung aufgefallen. Über bestimmte Themen wie insbesondere das organisierte Verbrechen kann gar nicht oder kaum öffentlich gesprochen werden. Journalist*innen suchen ständig eine Balance zwischen ihrer Arbeit und der Notwendigkeit ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten. Trotz vieler Herausforderungen arbeiten unzählige Medienschaffende und zivile Organisationen daran die Pressefreiheit nicht nur zu verteidigen, sondern aktiv zu leben. Ihre Arbeit inspiriert mich zutiefst.
„In meiner Zeit in Mexiko ist mit vor allem die Autozensur innerhalb der Berichterstattung aufgefallen. Über bestimmte Themen wie insbesondere das organisierte Verbrechen kann gar nicht oder kaum öffentlich gesprochen werden.“
Die Pressefreiheit in Deutschland ist sehr viel umfassender gewährleistet, dennoch sind die Durchsuchung von Radio Dreyeckland 2023 oder Gewalt gegenüber Pressevertreter*innen bei rechten Demonstrationen nur zwei Beispiele, die aufzeigen, dass dieses Recht auch in Deutschland ständig erkämpft und verteidigt werden muss.
Emilia: Mein Leben in Mexiko konfrontiert mich immer wieder mit den Privilegien, die ich als weiße, europäische Person in die Wiege gelegt bekommen habe. Diese Ungleichheit ist ein ständiger Begleiter in meiner Auseinandersetzung mit diesem Land und mir selbst. Bezogen auf mein Projekt prägen mich vor allem die vielen Geschichten, die mir erzählt werden und die wir durch unsere Arbeit weitertragen dürfen. Geschichten von Menschen, die Ungerechtigkeit erfahren, ihr Territorium verteidigen oder ihre Kultur bewahren wollen und bereit sind dieses Erlebte mit uns und der Öffentlichkeit zu teilen.
„Bezogen auf mein Projekt prägen mich vor allem die vielen Geschichten, die mir erzählt werden und die wir durch unsere Arbeit weitertragen dürfen.“
Emilia: Ich verbinde mit Mexiko Mais, der hier überall präsent ist. Er ist nicht nur in so gut wie jedem Essen (manchmal sogar Trinken) zu finden, sondern zum Beispiel auch ein wiederkehrendes Motiv in der Philosophie der Zapatistas, einer rebellischen Widerstandsgruppe in Chiapas. Die zahlreichen sozialen Bewegungen sind ein anderes Element, das meinen Aufenthalt hier prägt. Besonders indigene Gruppen, die ihr Land und ihre Kultur verteidigen sind in Chiapas sehr präsent. San Cristóbal ist durch die vielen umliegenden Dörfer eine multikulturelle Stadt mit einer Vielfalt an Essen, Traditionen und Trachten.
Emilia: Ich würde euch raten, das Jahr und die Erfahrungen die ihr macht mit offenen Armen zu empfangen. Es gibt nicht den einen richtigen Weg wie euer Freiwilligendienst laufen muss oder was ihr in diesem Jahr erleben und schaffen müsst. Jede Situation ist unterschiedlich. Wichtig ist aber sich auf den Kontext und die Sichtweise der Menschen, denen ihr begegnet, einzulassen.
Vielen Dank für den spannenden Einblick in dein Projekt!