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In die Welt
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Na endlich, das Abitur ist in der Tasche! Jetzt fängt also der Ernst des Lebens an, zumindest sagte man mir das so. Aber was bedeutet das für mich? Studieren würde sich anbieten – aber was denn, bei dieser endlosen Auswahl an Studiengängen, Programmen und Angeboten? Oder doch eine Ausbildung machen, es ist ja schließlich immer gut, erst einmal "etwas in der Tasche zu haben". Aber woher weiß ich mit gerade einmal 18 Jahren überhaupt, was ich wirklich gut kann oder was mich tatsächlich interessiert?
An die Stelle meiner anfänglichen Ungewissheit bezüglich meiner Zukunft sind nun klare Zielvorstellungen und eine Begeisterung für entwicklungspolitische Prozesse getreten, an deren Umsetzung und Begleitung ich in Zukunft beteiligt sein möchte.
So kann ich mich z.B. aktuell stolz als Praktikant der „Mitmachzentrale“ bei Engagement Global vorstellen, die konkret das entwicklungspolitische Engagement der deutschen Zivilgesellschaft im Fokus hat und deren Akteure wie Vereine, Stiftungen, Kirchen, Kommunen etc. informiert, berät und fördert. Hier habe ich die Möglichkeit, meine theoretischen Managementkenntnissen aus meinem BWL- Studium mit praktischen Erfahrungen aus dem Bereich der entwicklungspolitischen Landschaft anzureichern. Wenn auch nicht der typische BWL-Werdegang, merke ich doch immer mehr: „Das ist mein Ding!“. Geplant ist anschließend ein weiterführender Masterstudiengang im Bereich Management von Non-Profit Organisationen, um mich später hoffentlich selbst aktiv und gewinnbringend für eine gerechtere Welt einsetzen zu können. Diesen Weg wäre ich ohne den weltwärts-Freiwilligendienst in Thailand so wohl nie gegangen. Mein Jahr in Thailand stellt somit einen, wenn nicht sogar den wichtigsten Wendepunkt in meinem bisherigen Leben dar. Aber von vorn…
Angefangen hat alles mit einem Vorbereitungsseminar in Deutschland. Neben Länderkunde kam ich hier auch zum ersten Mal mit Themen wie Nachhaltigkeit, Globalem Lernen oder der Problematik der oft herablassenden westlichen Sicht auf sogenannte Entwicklungsländer in Kontakt. Ich lernte meine Mitfreiwilligen kennen und man tauschte sich rege über bereits Erfahrenes aus. Schließlich war es dann soweit. Ankunft in Khon Kaen, einer Provinzhauptstadt im Isaan, dem ländlich geprägten Nordosten Thailands. Was nun folgte, war ein rasanter zweiwöchiger Crashkurs durch die Sprache, Religion, Kultur und auch die Küche Thailands. Wir Freiwilligen fingen an, die anfangs komplizierte neue Sprache mit ihren fünf verschieden Tonhöhen zu lernen (Sawatdi Khrap, phom tschü Yannick – Hallo, Ich heiße Yannick) und aßen zum ersten Mal den typischen regionalen Papaya-Salat (SomTam), der so scharf war, dass es uns Tränen in die Augen trieb. Tempelbesuche, ein Benimmknigge, um in der sehr auf Höflichkeit bedachten thailändischen Gesellschaft nicht ins Fettnäpfchen zu treten sowie das Kennenlernen meiner Entsendeorganisation GIZ gehörten ebenfalls zu unserem Stundenplan. Dann war es soweit, es ging in unsere Projektstellen. Zwar war jede einzelne Stunde des Vorbereitungsseminars absolut notwendig, doch trotzdem hatte es sich bisher ein bisschen wie Klassenfahrt angefühlt. Das würde sich spätestens jetzt ändern.
Die Menschen hier, tausende Kilometer von Deutschland entfernt, hatten nämlich oft genau die gleichen Interessen wie ich, freuten sich ebenso darüber, eine andere Kultur kennenzulernen und waren stolz, mir alles zeigen und erklären zu können.
Zu Beginn war ich unglaublich aufgeregt, wenn ich nur an die ganzen Benimmregeln dachte. Und wie war das nochmal mit der Aussprache bei der Begrüßung von Höherrangigen? Schnell wich meine anfängliche Nervosität allerdings Erleichterung. Die Menschen hier, tausende Kilometer von Deutschland entfernt, hatten nämlich oft genau die gleichen Interessen wie ich, freuten sich ebenso darüber, eine andere Kultur kennenzulernen und waren stolz, mir alles zeigen und erklären zu können. Meine Ansprechpersonen in der Schule waren sehr darauf bedacht, dass ich mich wohl fühlte und so kam es, dass ich in der ersten Woche neben meiner Arbeit ein Volksfest nach dem anderen besuchte und wahrscheinlich bei jeder Dorffamilie mindestens einmal eine Mahlzeit einnahm.
Meine Projektstelle im Stadtteil Ban Koeng war das Paradebeispiel für eine ländliche Dorfschule in Thailand. Vom Kindergarten bis zu den Zehntklässlern, die kurz vor ihrem Abschluss standen, ging hier jedes Dorfkind zur Schule, also ca. 300 Schülerinnen und Schüler. Meine konkrete Aufgabe bestand darin, die Lehrerinnen und Lehrer beim Englisch- und Sportunterricht zu unterstützen sowie den Schülern bei den Hausaufgaben zu helfen. Vor Ort habe ich mich nach einer kurzen Eingewöhnungszeit schnell wohl gefühlt, auch wenn ich anfangs manchmal ein wenig improvisieren musste. Der Englischunterricht gestaltete sich zunächst schwieriger als erwartet, denn trotz guter Lehrbücher und Ausstattung machte vor allem die anfängliche Sprachbarriere jede Unterrichtsstunde zu einem interaktiven Erlebnis mit Händen und Füßen.
Nach der Standardfloskel Good Morning, Teacher. How are you?, die wohl wirklich jeder Schüler dort seit dem Kindergarten eingetrichtert bekommt und vermutlich im Schlaf beherrscht, ging es los: ABC und Animals mit den ganz Kleinen und erste Dialoge und Grammatik mit den Größeren. Dass vor allem die Schüler der Klassen 7 – 10 sich gerade in der Pubertät befanden und alles andere, nur nicht die Schule interessant fanden, zeigte mir (mal wieder), dass sich die Menschen trotz unterschiedlicher Sprachen, Religionen, Bräuchen und Nationalitäten doch viel ähnlicher sind, als ich es anfangs oft selbst geglaubt habe. Im Sportunterricht wurde dies noch viel deutlicher: ob Fußball, Basketball oder Takraw, einer Mischung aus Volleyball und Fußball – hier wurde Teamgeist und Ehrgeiz gefordert, alles andere wie Herkunft oder Aussehen spielte keine Rolle, solange man gut mitspielte.
Generell spielte sich viel in der Schule ab, denn inoffiziell diente das Gelände auch zur Ausrichtung großer Volksfeste und Feierlichkeiten, von denen es in der thailändischen Kultur eine Menge gibt. Ob Geburtstag des Königs, buddhistisches Neujahr oder der Tag des Kindes – ich wurde bei den Planungen oft mit eingebunden. Dies hat mich oft überrascht, denn trotz anfangs mangelnder Sprachkenntnisse, wenig Ahnung vom Buddhismus oder den kulturellen Bräuchen war ich gut in die Dorfgemeinschaft integriert. Ich finde, an so einer Offenheit könnten sich viele Deutsche ein gutes Beispiel nehmen.
Natürlich war nicht immer alles einfach: Als deutscher Abiturient ist man das teilweise sehr strikte Hierarchiesystem der thailändischen Gesellschaft nicht (mehr) gewöhnt und auch bestimmte Ansichten erschienen mir oft viel zu altmodisch. Zudem neigen wir Deutschen meiner Meinung nach dazu, immer alles perfekt planen zu wollen um auf Nummer sicher zu gehen und werden dann nervös, wenn sich Menschen mit ganz anderen Ansätzen und Ideen einer Herausforderung zuwenden.
Doch all die Erfahrungen brachten mich enorm weiter: Bei mir bildete sich eine große Offenheit und Toleranz gegenüber einer bisher unbekannten Kultur heraus und auch meine bisherigen Vorstellungen sehe ich nicht mehr als universalgültig an. Zudem habe ich gelernt, selbstständiger zu handeln, manche Situationen eher zu akzeptieren und nicht direkt frustriert zu sein, wenn etwas beim ersten Mal nicht sofort zu 100 % klappt.
Aber vor allen Dingen habe ich gelernt, dass wir „Westler“ uns von dem Gedanken verabschieden müssen, wir wüssten alles besser. Viele Menschen aus meinem Umfeld denken bei Thailand an Strand, Exotik, wilde Partys und scharfes Essen und sprechen von Thailand als einem „Entwicklungsland“. Dass viele Thais sehr gebildete Menschen sind, ein intaktes Familienleben führen und auch häufig ohne den materiellen Überfluss unserer Gesellschaft glücklich sind, gibt mir noch heute zu denken, wenn ich in deutschen Großstädten den Stress und die Unzufriedenheit mancher Menschen erlebe. Auch das typische Bild einer oft gutgemeinten Spendenkampagne, die mit ärmlich gekleideten Reisbauern wirbt, die in einfachen Stelzenhütten leben, sehe ich mittlerweile sehr kritisch, da es nicht den „normalen“ Thai repräsentiert. Solche Bilder werden nicht hinterfragt und setzen sich dann häufig in der Vorstellung von Land und Leuten fest. WIR sind diejenigen, die ebenfalls noch eine Menge zu lernen haben.
Ich finde es daher unglaublich wichtig, dass die Menschen realisieren, dass der Lernprozess für beide Seiten auf Augenhöhe stattfindet. Von dieser Art des globalen Lernens profitieren nämlich letztendlich alle Beteiligten. Der weltwärts-Freiwilligendienst in Thailand ist eine Erfahrung, die mir genau dahingehend die Augen geöffnet hat. Meinen Zuwachs an Wissen, Erfahrung und persönlicher Reife in nur zwölf Monaten finde ich nach wie vor unglaublich. Ich würde diese Entscheidung jederzeit wieder treffen und kann nur jedem empfehlen, diese Chance wahrzunehmen.