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Inklusive Wohngemeinschaft in Ghana

Zusammen wohnen - füreinander da sein

Robin, 20 und Frederik, 25

Einsatzort: Ho, Ghana

Organisation: bezev e.V.

Die Freiwilligen Robin Lange (20) und Frederik Bohn (25) arbeiten für ein Jahr bei Voice of People with Disability Ghana (Voice Ghana), einer Organisation, die sich für die Rechte von Menschen mit Beeinträchtigung in Ghana einsetzt. Robin sitzt im Rollstuhl, gemeinsam mit Frederik lebt er in einer inklusiven WG. Stephanie Haase, Projektreferentin bei Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V. (bezev), der Entsendeorganisation von Robin und Frederik, hat die beiden interviewt.

Wie sieht euer Zusammenleben in der weltwärts-Wohngemeinschaft aus?

Robin: Ich bin echt froh, mich für eine WG entschieden zu haben, denn man kann sich über alles austauschen. Bei uns läuft es sehr harmonisch. Wir sind füreinander da, aber man kann sich auch mal in das eigene Zimmer zurückziehen.

Frederik: Mir geht es ähnlich. Da ich schon etwas älter als die meisten weltwärts-Freiwilligen bin, war es mir ein wichtiges Anliegen, in einer WG zu wohnen. Robin und ich haben uns bereits beim Vorbereitungsseminar kennengelernt, deshalb waren wir schon früh miteinander vertraut. Das hat einiges erleichtert.

Was gefällt euch besonders gut an eurer weltwärts-Wohngemeinschaft?

Robin: Freiheit ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt: Wir können abends oder am Wochenende weggehen, ohne dass uns jemand Vorschriften macht. Wir können Ausflüge machen, wie und wohin wir wollen – und kochen, worauf wir Lust haben. Trotz dieser Autonomie sind wir nicht isoliert, wenn wir Kontakt suchen, ist unsere Vermieterin direkt nebenan.

Frederik: Genau – außerdem tut es gut, zuhause Deutsch reden zu können …

Gruppenfoto Voice Ghana mit Frederik und Robin.
Die Organisation Voice Ghana setzt sich für die Rechte von Menschen mit Beeinträchtigung in Ghana ein.

Beschreibt doch bitte mal euren Alltag: den Weg zur Arbeit, euren Tagesablauf …

Robin: Meistens frühstücken wir gemeinsam, oft gibt es ghanaisches Weißbrot und groundnut paste (Erdnussbutter). Für den Weg zum Büro habe ich einen festen Taxifahrer, manchmal muss ich allerdings bis zu einer Stunde warten. Diese Abhängigkeit ist echt nervig, doch die Straße, an der wir wohnen, ist für mich nicht anders zu bewältigen. Sie ist nicht asphaltiert und hat viele tiefe Schlaglöcher.

Frederik: Ich fahre dreimal in der Woche zu einer inklusiv arbeitenden Schule. Ich muss dann hoch zur Hauptstraße laufen und von dort ein Sammeltaxi nehmen. Nach der Schule erledige ich oft noch Einkäufe für uns beide und abends kochen wir dann meist zusammen. An den anderen beiden Tagen arbeite ich im Büro von Voice Ghana.

Robin: Häufig kommen abends Freunde vorbei, dann quatschen wir oder spielen gemeinsam.

… und wie klappt es bei euch mit den üblichen Streitthemen in einer WG: Sauberkeit, Kochen, Einkaufen?

Robin: Für mich war von Anfang an klar, dass ich mehr Hilfe brauche als Frederik. Deshalb habe ich versucht, frühzeitig klarzubekommen, welche Schwierigkeiten ich im Alltag haben könnte. Beispielsweise hätte ich mich unwohl gefühlt, Frederik bitten zu müssen, meine Sachen per Hand zu waschen. Außerdem wären Putzen und Bodenwischen an ihm hängengeblieben, was ich unfair gefunden hätte. Ich bin unserer Entsendeorganisation bezev sehr dankbar, dass sie dafür eine Lösung gefunden hat. Aber: Schnibbeln und Spülen kann ich genauso gut wie andere.

Frederik: Mir war es wichtig, Robin zu unterstützen, mich dabei aber selbst nicht zu übernehmen – ich bin ja auch ganz neu in diesem Land. Ich bin hauptsächlich fürs Einkaufen, Kochen und Wasserauffüllen etc. zuständig. Dadurch, dass jeder seinen Teil übernimmt, ergibt sich ein gutes Miteinander in unserer WG.

Robin und Frederik sitzen sich mit Brot in der Hand beim Frühstücken gegenüber.
Die inklusive weltwärts-WG in Ghana bem Frühstück: Frederik (links) und Robin (rechts).

Unternehmt ihr gemeinsame Ausflüge? Welche Erfahrungen macht ihr da mit der Mobilität?

Frederik: Ja, klar! Robin und ich unternehmen einiges zusammen. Wir treffen Freunde, besuchen Fußballspiele oder machen Ausflüge wie der zum Wli-Wasserfall. Auf dem Weg dorthin mussten wir einige Hürden überwinden: Nicht nur Wurzeln und Steigungen waren zu bewältigen, auch die schmalen Wege stellten ziemliche Herausforderungen an uns. Und am Wasserfall mussten wir aufpassen, nicht mit dem Rollstuhl abzustürzen. Das war bisher eines unserer größten und anstrengendsten Abenteuer.

Robin: Egal welche Hürden sich mir stellen, ich weiß, dass ich nicht alleine bin. Sowohl bezev als auch Voice Ghana haben immer ein offenes Ohr für mich. Frederik und andere Freunde unterstützen mich, so gut sie können. Trotzdem fühle ich mich ohne Taxi häufig alleine und aufgeschmissen. Ich bin auch schon einige Male mit meinem Rollstuhl gestürzt. Und nicht selten muss ich bei Taxifahrten mehr bezahlen, weil der Rollstuhl mittransportiert wird. Da decken sich meine Erfahrungen mit denen meiner gehbehinderten ghanaischen Kolleginnen und Kollegen.

Egal welche Hürden sich mir stellen, ich weiß, dass ich nicht alleine bin. Sowohl bezev als auch Voice Ghana haben immer ein offenes Ohr für mich.

Wie sind eure Eindrücke zum Thema Barrierefreiheit in den Städten in Ghana, die ihr besucht habt?

Robin: Die Gesetze sehen vor, dass jedes öffentliche Gebäude barrierefrei sein muss, darunter fallen auch Hotels etcetera. An der Umsetzung hapert es aber. Ich bin gerade zu Anfang häufiger gestürzt, da Löcher in der Straße oder auf dem Gehweg nicht zu erkennen waren. In Ghana ist es üblich, als Mensch mit Behinderung eine Begleitung zu haben – meist einen Familienangehörigen.

Frederik: Sowohl auf dem Land als auch in der Stadt gibt es allerhand Hindernisse. Bisher sind wir jedoch noch nicht gescheitert. Ich finde, dass Robin auch mit seiner Behinderung oder gerade deswegen das Recht hat, Aktivitäten mitzumachen und zu erleben. Außerdem gibt es bei schwierigen Gegebenheiten fast immer eine Lösung – sei es mit meiner Unterstützung, sei es mit der Unterstützung hilfsbereiter Ghanaerinnen und Ghanaer.

Habt ihr vielleicht einige Beispiele?

Robin: Zuletzt musste ich die Treppen im Fußballstadion hochgetragen werden, um vor dem einsetzenden Regen geschützt zu werden. Oder durch die Lage unseres Hauses ist es für mich kaum möglich, alleine hoch zur Hauptstraße zu kommen, deshalb ist das dafür vorgesehen Transportgeld immens wichtig für mich.

Frederik: In vielen Städten muss man mit dem Rollstuhl auf der Straße fahren. In Accra, der Hauptstadt, ist die Fortbewegung für Robin leichter, da es viele Bürgersteige gibt, auf denen man fahren kann.

Tauscht ihr euch darüber mit eurer Partnerorganisation Voice Ghana aus?

Robin: Ja, wobei ich glaube, dass die Organisation genau weiß, was noch ausbaufähig ist und wo man anfangen muss. Es ist toll, dass die Projekte von Voice Ghana genau an diesen Punkten ansetzen. Aktuell wird gerade kontrolliert, wie es mit Rampen an Gebäuden wie Rathäusern und Schule aussieht.

Danke euch beiden für das interessante Gespräch.