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Erfahrungen im Klinikalltag in Malawi

Diese Erfahrungen hätte ich in Deutschland nicht machen können

Mirjam

Einsatzort: Senga Bay, Malawi

Organisation: Hoffnung International

Für Mirjam Nissen sind die zehn Monate in Senga Bay, am Malawisee, bald vorbei. Sie hat sich mit der Organisation Hoffnung International in der Baptist Medical Clinic Senga Bay engagiert. Die Klinik möchte die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in der Region verbessern, die zu einem großen Teil von der Subsistenzlandwirtschaft und dem Fischfang lebt. Die meisten Menschen verdienen weniger als einen Dollar pro Tag. Mirjam kehrt mit vielen Fragen zur Entwicklungszusammenarbeit zurück.

Ich habe einen guten Einblick in das Gesundheitssystem erhalten.

Müsste ich mich nochmal entscheiden, würde ich mich sofort wieder für einen Freiwilligendienst hier entscheiden. Ich durfte in den letzten Monaten wirklich sehr viel lernen und eine Menge Erfahrungen sammeln, die ich in Deutschland in dieser Art nicht gemacht hätte.

Zum Freiwilligendienst in Malawi

Meine Arbeit in der Klinik hat mir sehr viel Spaß gemacht und mit der Zeit konnte ich eine immer größere Unterstützung sein. Dabei habe ich einen spannenden Einblick in das malawische Gesundheitssystem und seine Herausforderungen erhalten und einen Eindruck davon bekommen, wie medizinische Arbeit mit sehr begrenzten Mitteln aussehen kann.

Nachdem ich mir in den ersten Wochen alle Bereiche der Klinik ansehen durfte, haben wir entschieden, dass ich in der Apotheke, im HIV-Center und der Under-5-Clinic mitarbeiten soll. Im HIV-Center habe ich bei der Patientenanmeldung geholfen. Die Kommunikation mit den Patienten lief dabei auf Chichewa, neben Englisch eine der Amtssprachen in Malawi. Wie gut, dass sich Sätze wie Dzina lanu ndani? (Wie heißen Sie?) und Pondani pa scelo (Gehen Sie bitte auf die Waage) recht schnell lernen lassen. In der Under-5-Clinic werden die Kinder der umliegenden Dörfer geimpft und auf ihren Ernährungszustand überprüft. Ich habe vor allem beim Wiegen der Kinder mitgeholfen.

In den letzten drei Monaten hat sich meine Arbeit dann immer mehr auf die Apotheke konzentriert, da einer meiner Kollegen in Rente gehen musste und dadurch verstärkt Unterstützung notwendig wurde. Zum Schluss konnte ich bei den meisten Aufgaben mithelfen: Tabletten abpacken, Schränke auffüllen, Material an die Departments ausgeben, den Bestand inventarisieren, Medikamente für die Patienten vorbereiten und Berichte schreiben.

Zum Einsatzplatz im Bereich Gesundheit in Malawi

Eine Gruppe von Erwachsenen und Kindern vor dem Klinikgebäude.
Das Dorf Lifu gehört zum Einzugsbereich der Klinik.

Von meinen Kollegen habe ich viel über die Kultur gelernt

Mit der Zeit haben sich einige wirklich gute Freundschaften zu meinen Kollegen und Kolleginnen entwickelt. Dadurch, dass recht viele von ihnen auf dem Klinikcampus wohnen, haben wir auch nach der Arbeit noch viel Zeit zusammen verbracht. So konnte ich kennenlernen, wie das Leben für viele Malawier und Malawierinnen in meinem Alter aussieht und habe selbst einiges gelernt: Wäsche per Hand waschen, allerlei Tiere im Haus bekämpfen, malawisch kochen und backen, mit der Hand essen, auf Feuer kochen, Hühner rupfen und vieles mehr. Ich habe einen anderen Umgang mit Konflikten erlebt, eine große Offenheit Fremden gegenüber und habe einen Lebensstil kennengelernt, beim dem die Beziehungen zwischen den Menschen eine wesentliche Rolle spielen.

Je mehr ich die malawische Kultur kennengelernt habe, desto mehr konnte ich auch meine eigene Kultur verstehen und hinterfragen.

Je mehr ich die malawische Kultur kennengelernt habe, desto mehr konnte ich auch meine eigene Kultur verstehen und hinterfragen. So habe ich erst hier in Malawi verstanden, wie sehr meine Bewertung von Dingen von meiner kulturellen Prägung abhängt und wie wenig ich das im Alltag wahrnehme. Manche Aspekte der Lebens- und Denkweise, die ich hier kennengelernt habe, möchte ich gerne für mich übernehmen, wie beispielsweise die Gelassenheit, die Offenheit oder die große Gastfreundschaft vieler Menschen hier.

Gruppenfoto von Mirjam und ihren Kollegen und Kollegin.
Mirjam mit Kollegen und Kollegin: Hausmeister, Apothekenhelfer Goodness, Apothekerin Loveness, Zahnarzt Innocent

Ich habe mich persönlich weiterentwickelt

Was mir in den ersten Monaten noch Schwierigkeiten bereitet hat, habe ich mit der Zeit immer mehr zu schätzen gelernt: die viele freie Zeit. Mit Langeweile habe ich kein Problem mehr. Vielleicht habe ich mich aber auch einfach daran gewöhnt, dass Arbeiten auf malawisch nicht bedeutet, acht Stunden geschäftig durch die Gegend zu laufen, sondern da ist noch viel Zeit, um sich mit Leuten zu unterhalten.

Anfangs habe ich die freie Zeit viel genutzt, um Chichewa zu lernen und zu lesen. Je mehr ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen angefreundet habe, desto mehr Zeit konnten wir zusammen verbringen. Was ich immer mehr zu schätzen gelernt habe, ist die Möglichkeit Situationen und Gespräche noch einmal zu reflektieren und mir Gedanken zu den kulturellen, politischen und religiösen Themen zu machen, die mir begegnet sind. Dadurch habe ich mich persönlich in so manchen Bereichen weiterentwickeln können.

Ländliche Region in Malawi mit mehreren Lehmhäusern und Feldern.
Das Dorf Lifu gehört zum Einzugsbereich der Klinik.

Ich habe viele offene Fragen zur Entwicklungsarbeit

In vielen Gesprächen habe ich Eindrücke von der Entwicklungszusammenarbeit in Malawi bekommen. Dabei musste ich feststellen, dass zumindest in Malawi die Realität lange nicht so einfach ist wie die Schultheorie. Ich habe mein vorher recht naiv-optimistisches Bild ein wenig der Realität anpassen können.

Nach zehn Monaten in einem Land, das in seiner Entwicklung kaum weiterkommt, obwohl es so viele Entwicklungsprojekte gibt und gefühlt 80 Prozent der Europäer Entwicklungshelfer sind, habe ich deutlich mehr Fragen als Antworten: Was hilft einem Land nun tatsächlich, um in seiner Entwicklung weiter zu kommen? Welche Art der Hilfe durch andere Länder ist dabei sinnvoll, was wirkt eher negativ? Welches Ziel sollte Entwicklungsarbeit überhaupt haben?

Dürfen wir anderen unsere Werte aufzwingen?

Ich konnte feststellen, dass manche europäischen Werte in anderen Ländern unter Umständen gar nicht sinnvoll sind, weil die Gesellschaft einfach anders funktioniert. Wenn ein demokratisches System in Malawi nicht gut funktioniert, müssen wir dann die Menschen und ihre Denkweise ändern, weil es unseren Idealen entspricht, oder können wir akzeptieren, dass ein anderes politisches System vielleicht besser funktionieren könnte?

Immer wieder habe ich mich darüber gewundert, wie sehr die Akzeptanz westlicher Werte und Ideale zur Grundlage für eine entwicklungspolitische Zusammenarbeit gemacht wird. Ist unsere Lebensweise denn überhaupt das Ideal und sollte sie das Ziel der Entwicklung eines Landes sein? Sind die Probleme Malawis wirklich so viel schwerwiegender als die unserer Gesellschaft oder sind sie einfach anders?

Ich finde es sehr spannend diesen Fragen weiter nachzugehen und hoffe, dass ich mit der Zeit weitere Eindrücke in anderen Ländern sammeln und vielleicht die eine oder andere Frage für mich beantworten kann.