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Fußball-WM: „Ich bin einfach nur sauer“

Freiwillige berichten aus Brasilien

Marina

Einsatzort: Passo Fundo, Brasilien

Organisation: Freiwillige Soziale Dienste im Erzbistum Köln e.V.

Alle Augen richten sich auf die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Doch was bringt die WM dem ausrichtenden Land? Bei Demonstrationen und Streiks haben Tausende von Brasilianerinnen und Brasilianern gegen die hohen Kosten der Fußball-WM protestiert. Sie werfen der Regierung vor, wichtige soziale Aufgaben zu Gunsten von Prestigeprojekten wie der WM zu vernachlässigen. Lies, was Marina B. über die WM denkt.

Brasilien, ein Schwellenland mit 201 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen, bekannt für Fußball, leicht gekleidete Frauen, Samba, Karneval, Armut, Strand und Hitze - und nun auch Gastgeber der WM. Warum?

„Ich bin sauer“

Erstmal möchte ich klar stellen, dass dies alles Vorurteile sind. Brasilien ist ein wunderbares Land mit vielen interessanten Städten, verschiedenen Naturräumen und Klimazonen, vielen Völkern und Menschen die ein offenes Herz für jeden haben.

Mein Name ist Marina. Ich bin im Moment Freiwillige in einem Sozialprojekt der Diözese Leao in Passo Fundo, im Süden Brasiliens. Meine Mutter ist Brasilianerin und mein Vater Deutscher. Ich fühle mich mehr als Brasilianerin denn als Deutsche. Ich könnte jetzt einen neutralen Bericht darüber schreiben, wie sich Brasilien auf die WM vorbereitet, wie die Menschen sich fühlen und auf die WM reagieren, aber ich bin einfach nur sauer.

Man muss sich fragen, wie viele Brasilianer und Brasilianerinnen überhaupt das Geld haben, um ein Spiel im Stadion anzusehen.

„Es gibt dringendere Projekte“

Ich verstehe nicht, warum Brasilien die WM ausrichtet. Es gibt Tausende von anderen Problemen, die gelöst werden müssten, bevor ein solches Projekt wie die WM stattfinden sollte. Sicher wird sich durch die WM auch einiges verbessern: Straßen und öffentliche Verkehrsmittel werden erneuert, Geschäfte und Einkaufszentren werden blitzeblank geputzt, Hotels werden auf die Gäste aus aller Welt vorbereitet, Taxifahrer und Angestellte bekommen einen gratis Englischkurs. Aber warum erst jetzt?! Muss Brasilien erst im Rampenlicht der Welt stehen, um auf die eigenen Probleme aufmerksam zu werden? Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, Brasilien weiß sehr gut Bescheid über viele Dinge, die geändert werden müssen, aber nein, es ist wichtiger die Welt in den drei Wochen der WM besonders zu empfangen und zu feiern und bejubeln. In den drei Wochen schaut die ganze Welt auf Brasilien, aber was ist davor und danach?

In den drei Wochen schaut die ganze Welt auf Brasilien, aber was ist davor und danach?

„Eine Nation?“

Ich erinnere mich gut an die Zeit der WM in Deutschland. Wir Deutschen haben wenig Stolz auf unser Land, dies liegt wahrscheinlich an unserer Geschichte, den Erinnerungen an die Nazizeit. Zur WM hat sich das Land zusammen gefunden, Fahnen wurden auf gehangen und geschwenkt. Wir waren eine Nation für unser Team. Nach der WM wurden die Fahnen wieder abgehangen und der Alltag nahm seinen Lauf. Doch wie will Brasilien in diesen Wochen als eine Nation hinter ihrem Team stehen? Die Klassenunterschiede und das Land sind viel zu groß und die Meinungen der Gesellschaft über die WM viel zu verschieden.

Ich könnte jetzt noch viele Aspekte der WM ansprechen, doch ich glaube das reicht, um ein wenig zu zeigen, wie ich denke. Meine Großeltern werden dem WM-Chaos aus Sao Paulo entfliehen, sie werden in dieser Zeit an den Strand fahren und hoffen, dass nicht alle Brasilianer auf diese Idee kommen!