In die Welt

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Chancen statt Armut

Luca war weltwärts in Soweto

Luca

Einsatzort: Soweto (Johannesburg), Südafrika

Organisation: World Horizon

Durch ihr Engagement in Soweto hat Luca aus erster Hand das krasse Gefälle zwischen Arm und Reich in Südafrika erfahren: Große Teile der schwarzen Bevölkerung sind auch viele Jahre nach dem Ende der Apartheid benachteiligt. Das Kliptown Youth Program, in dem Luca ihren Freiwilligendienst geleistet hat, kümmert sich um Kinder und Jugendliche aus dem Stadtteil und eröffnet ihnen Zukunftschancen.

Mit 16 Jahren, nach einem sechsmonatigen Schüleraustausch in den USA, habe ich ein Bewusstsein dafür entwickelt, wie privilegiert ich aufgewachsen bin und dass Dinge wie Strom, Essen und Kleidung nicht als selbstverständlich angesehen werden dürfen. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, auch einmal das Gegenteil von meiner bisher bekannten Welt kennenzulernen. Darum habe mich über die Organisation World-Horizon für einen weltwärts-Freiwilligendienst im Kliptown Youth Program (KYP) in Soweto, Südafrika beworben – und wurde ausgewählt!

Unter dem Motto „from Poverty to Opportunity“, also in etwa „aus der Armut zur Chance“ werden hier von montags bis samstags circa 500 Kinder unterstützt und betreut.

Das Kliptown Youth Program wurde 2007 von zehn jungen Leuten aus Kliptown gegründet und wächst seitdem stetig. Das Programm bietet zwei tägliche Mahlzeiten, Nachhilfeunterricht, kostenlose Schuluniformen, Sportaktivitäten und einen Computerraum für sozial benachteiligte Kinder. Unter dem Motto „from Poverty to Opportunity“, also in etwa „aus der Armut zur Chance“ werden hier von montags bis samstags circa 500 Kinder unterstützt und betreut. Bei der Auswahl meines Freiwilligendienstes war mir sehr wichtig, dass das Programm von „Locals“, also von Menschen aus der lokalen Bevölkerung, gegründet wurde. Warum? Ganz einfach, sie sind an dem Ort aufgewachsen, kennen die Menschen und vor allem die Probleme dort am besten. Und noch wichtiger: sie haben die Motivation und den Willen, etwas zu verändern. Oft habe ich erlebt, dass Projekte, die von Außenstehenden ins Leben gerufen wurden, bei weitem nicht eine solche Akzeptanz bei der Bevölkerung gefunden haben. Das KYP ist das beste Beispiel hierfür, da es nicht nur durch die zehn Gründer getragen wird, sondern durch eine ganze Community, die voll und ganz dahintersteht.

DasKliptownYouthProgramwurde2007vonzehnjungenLeutenausKliptowngegründe.

Meine Aufgaben im Projekt: Von Computerkursen, Ochsenleber und Schwimmbädern

Meine Aufgaben im KYP waren sehr vielseitig. Vormittags, wenn die Kinder in der Schule waren, habe ich mit zwei Kollegen einen Computerkurs für die Anwohner von Kliptown gegeben. Dort haben die Leute gelernt, wie man einen Lebenslauf erstellt und E-Mails schreibt. Dieser Kurs ist ein kostenloses Angebot des KYPs für alle aus Soweto, die sich weiterbilden möchten. Für viele meiner Schüler war es das erste Mal, dass sie an einem Computer saßen, umso stolzer war ich, wenn sie schon nach fünf Wochen Unterricht ihr Zertifikat in den Händen hielten.

Nach dem Computerkurs ging es meistens in die Küche, wo ich beim Brote schmieren, Ochsenleber fürs Mittagessen zubereiten oder bei sonstigen Aufgaben unterstützen konnte – denn 500 Kinder wollen auch gut essen. Nachmittags konnte ich die Tutoren beim Nachhilfe- oder beim Deutschunterricht unterstützen. Dieser Nachhilfeunterricht ist für die Kinder und Jugendlichen sehr wichtig, da in der Schule in einer Klasse oft 40 Schülerinnen und Schüler sitzen. Leider kommt es nicht selten vor, dass ein Fünftklässler aus Soweto weder lesen noch schreiben kann und es niemandem auffällt.

Luca bei der Essensausgabe im KYP.
Luca bei der Essensausgabe im KYP.

Der Deutschunterricht im KYP hat übrigens eine Verknüpfung zur Süd-Nord-Komponente des weltwärts-Programms. Dieser Teil des Programms ermöglicht jungen Menschen aus anderen Ländern, darunter auch Südafrika, ähnliche Erfahrungen in sozialen Projekten in Deutschland zu sammeln, wie ich hier in Soweto. Während meines Jahres habe ich dabei mitgeholfen, drei junge Leute auf ihren Freiwilligendienst in Deutschland vorzubereiten. Durch Sprach- und Kulturunterricht für die drei habe ich selber viel über die südafrikanische, und auch über meine eigene Kultur gelernt. Freitags und samstags dreht sich beim KYP alles um verschiedene Sportaktivitäten. Im Sommer fand samstags der Schwimmunterricht im Schwimmbad der Nachbargemeinde statt. Für mich war schwimmen irgendwie immer eine Selbstverständlichkeit, aber für die Kinder im KYP ist es eine große Herausforderung, da sie teilweise panische Angst vor dem Wasser hatten.

Was ich während meiner Arbeit und generell während meiner Zeit in Soweto gelernt habe?

Was ich während meiner Arbeit und generell während meiner Zeit in Soweto gelernt habe? Flexibilität! Sehr selten gibt es hier einen genauen Plan und wenn es einen Plan gibt, dann wird dieser oft nicht eingehalten. Ein Albtraum für die meisten Deutschen – für mich zu Beginn meines Freiwilligendienstes eingeschlossen. Irgendwann habe ich dann aber gelernt, dass auch ohne Plan alles bestens funktionieren kann, wie zum Beispiel das zehnjährige Jubiläum des Projekts mit 500 Leuten. Der Plan lautete: Wir treffen uns morgen alle um halb acht und sehen dann weiter. Und es hat funktioniert!

Soziale Unterschiede: Hier Wellblechhütten, dort Villen

Die großen sozialen Unterschiede in Südafrika sind mir nicht nur durch meine Erfahrungen im KYP, sondern auch im Alltag bewusst geworden. Zusammen mit Jasper, einem anderen weltwärts-Freiwilligen von World-Horizon, habe ich in einer Sozialwohnung in Kliptown gewohnt, die nur etwa fünf Minuten vom Projekt entfernt lag. Kliptown ist in zwei Teile geteilt: ein Teil hat kaum bis keinerlei funktionierende Infrastruktur, der andere Teil dagegen bietet Wohnungen nach „westlichem Standard“. Diese Trennung ist typisch für Südafrika. Umgeben von Armut, also Wellblechhütten ohne Strom, Wasser oder richtige Toiletten und oft nicht einmal genug Geld fürs Essen, ist man innerhalb von 20 Minuten in einer komplett anderen Welt, mit riesigen Villen und dicken Autos. Diese extremen sozialen Unterschiede haben mich am meisten schockiert. Und obwohl die Apartheid offiziell 1994 endete, ist die schwarze Bevölkerung auch heute noch oft benachteiligt. Viele Anwohner fanden es toll, dass sich eine Weiße traut, in einem von so vielen Vorurteilen belasteten Ort wie Soweto zu leben. Einige haben mir von ihrem Wunsch erzählt, dass mehr Weiße unter ihnen leben würden, damit die leider immer noch existierenden Vorurteile aus der Zeit der Apartheid endlich aufgehoben werden.

Ich habe in diesem einen Jahr so viel Offenheit und Liebe erfahren wie noch nie, denn ich wurde nie nur als Freundin behandelt, sondern immer gleich als Teil einer Familie.

Freundschaft, Familie und Rückkehr

Ich habe in diesem einen Jahr so viel Offenheit und Liebe erfahren wie noch nie, denn ich wurde nie nur als Freundin behandelt, sondern immer gleich als Teil einer Familie. Das fehlt mir nach meiner Rückkehr nach Deutschland. Denn hier kommt es selten vor, dass man auf der Straße mit einem Fremden ins Gespräch kommt, sich am Ende umarmt und Freundschaft geschlossen hat. Alles, was ich in diesem Jahr erlebt habe, wird mich ein Leben lang begleiten. Ich würde es jedes Mal wieder genauso machen.