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Ein besonderer Tag in meinem Leben

Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

Josef, 18

Einsatzort: Cali, Kolumbien

Organisation: Schule fürs Leben

Schule fürs Leben baut gemeinsam mit lokalen Partnern Schulen und Lehrwerkstätten in Kolumbien auf. 28 Freiwillige sind zurzeit in der Region Calí eingesetzt. Sie arbeiten mit Kindern und Jugendlichen, deren Familien vor Bandenkriminalität, Guerillas und Paramilitärs geflohen sind oder vertrieben wurden. Der 18-jährige Josef T. aus Berlin erzählt von einem Erlebnis, das ihn geprägt hat.

Mein Bericht

Unter der Woche wohne und arbeite ich in Dapa, einem kleinen Bergdorf ungefähr 15 Kilometer oder eine Stunde Busfahrt von Cali entfernt. Dort helfe ich in der Schule Rosa Zarate de Peña beim Englischunterricht von der Vorschule bis zur fünften Klasse. Am Wochenende verbringe ich meine Zeit meistens mit den anderen Freiwilligen im warmen Cali oder mit den Jugendlichen aus Dapa. An einem Samstag war ich gemeinsam mit den anderen Freiwilligen Domenik, Nils, Benno, Tim und Manuel zu einem Besuch im Mädchenheim Hogar de la Luz (Übers.: Heim des Lichts) in Montebello, auf den Hügeln über Calí eingeladen.

Die Mädchen des Heims wollten unbedingt mit uns Fußball spielen. Das war eine gute Gelegenheit für uns, die wir in unterschiedlichen Projekten und Orten in und um Cali arbeiten, eine andere Einsatzstelle der Schule fürs Leben kennenzulernen.

Die unglaubliche Stärke, die ich bei jedem einzelnen Mädchen gespürt habe, hat mich unheimlich tief beeindruckt und überwältigt.

Die Fundacion Hogar de la Luz leitet ein Heim für Mädchen und junge Frauen, die in ihrer Familie Gewalt, extremer Armut oder Missbrauch ausgesetzt waren. Viele wurden vom Jugendamt aus der Familie oder von der Straße geholt. Manche haben bereits eigene Kinder, die sie nicht versorgen können, da sie sich kaum um sich selbst kümmern können. Hier erhalten sie ein neues Zuhause und eine individuelle Förderung. Die Mädchen wohnen in einem großen Wohnkomplex in Achtbettzimmern zusammen und müssen sich selbst um die Sauberkeit des Hauses kümmern. Einige der Mädchen gehen auf das Colegio de las Aguas in Montebello, eine Schule, in der ebenfalls Freiwillige eingesetzt sind. An das Heim sind außerdem Werkstätten angeschlossen, in denen die Kinder Handarbeit und Hauswirtschaft erlernen können.

Jedes dieser Mädchen hat eine Vergangenheit, die so bitter ist, dass sie manchmal nicht nur seelische, sondern auch körperliche Spuren hinterlässt. Ein kleines Mädchen von vielleicht neun Jahren hat zum Beispiel eine Schusswunde am rechten Arm, da sie auf der Straße ihres früheren Wohnviertels angeschossen wurde. Die schönen Seiten der Stadt und die Fröhlichkeit der Menschen können das Leid und die Armut, die gleichzeitig herrschen, manchmal vergessen lassen. Jedoch wird man immer wieder in die Realität zurückgeholt. So sieht man regelmäßig Menschen, die auf dem Bürgersteig schlafen. In Domenik´s Projekt erzählte ein Schüler erst nach mehrmaligem Nachfragen, warum er am nächsten Tag nicht früher in die Schule kommen kann, um ein Konzert zu proben: “Um diese Zeit werde ich auf meiner Straße ausgeraubt“. Der Junge ist zehn Jahre alt.

Die Mädchen im Hogar de la Luz sind sehr anhänglich, da sie in ihrer Familie das Gefühl von Liebe und Zuwendung nicht erfahren durften. Auch am Besuchstag, wenn die Eltern nicht kommen (dürfen), erhalten viele nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Umso glücklicher war ich, dass wir ihnen durch unsere bloße Anwesenheit und Zuneigung ein Geschenk machen konnten. Die unglaubliche Stärke, die ich bei jedem einzelnen Mädchen gespürt habe, hat mich unheimlich tief beeindruckt und überwältigt. Trotz der für uns unvorstellbaren Erfahrungen, die die Mädchen erlitten haben, strotzen sie nur so vor ansteckender Lebensfreude. An diesem Tag hat man einfach gesehen, dass sie glücklich waren, dass jemand für sie da war und gezeigt hat, dass man sie gerne hat und das Gefühl hat mich automatisch selbst glücklich gemacht. Die Mädchen haben viel gelacht, mit größter Leidenschaft Fußball gespielt und hunderte Fotos mit uns geschossen. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass viele es schwer finden, sich an feste Regeln zu gewöhnen und lieber wieder auf der Straße leben würden.

Dieses Erlebnis hat mich während der gesamten Zeit in Kolumbien (und vielleicht auch im Leben) am meisten geprägt und vor allem nachdenklich gestimmt: Welche Probleme haben wir, wenn man sie überhaupt so nennen darf? Wie gehen wir im Vergleich zu den Mädchen und ihren Schicksalen mit unseren Luxusproblemen (schlechte Abi-Note, nicht funktionierendes Internet, keine Playstation zu Weihnachten) um? Diese Kinder gehen so viel besser mit ihrem Los um als wir. Sie versuchen das Beste aus ihrer Situation zu machen und geben jedem Tag die Chance, ein schöner zu werden. Daran sollten wir uns alle ein Beispiel nehmen.

Ich glaube die Kinder wissen gar nicht, wie viel sie uns an diesem Tag geschenkt haben und wie unglaublich stolz sie auf sich sein können. Danke!

Länderinfo: Kolumbien, Südamerika

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