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In die Welt
eintauchen
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Jeden Morgen arbeite ich in der Kinderkrippe Centro Infantil Padre Manfredo Rauh, wo ich abwechselnd Elba in der Küche und den Erzieherinnen mit den Kindern unter die Arme greife. Die Kinder sind zwischen sechs Monate und fünf Jahre alt und werden in verschiedenen Gruppen betreut. Was mich verwundert, ist das schon von der Kinderkrippe an sehr verschulte System. So lernen bereits die Kleinsten mit zwei Jahren die Vokale und Zahlen von eins bis zehn zu schreiben und zu erkennen. Klappt das nicht, werden die Erzieherinnen ungeduldig, weil die Kinder nicht ihre Hausaufgaben machen. Ich frage mich dann, ob ein Kind mit zwei Jahren wirklich schon schreiben lernen muss. Doch wenn ich erzähle, dass ich im Alter von sieben Jahren angefangen habe, lesen, schreiben und rechnen zu lernen, ernte ich nur erstaunte Blicke.
Nachmittags unterstützen wir im Gemeindezentrum die älteren Kinder und Jugendlichen bei den Hausaufgaben, spielen und basteln miteinander oder unternehmen besondere Aktivitäten, wie beispielsweise einen Ausflug ins Freibad. Am Anfang habe ich versucht, ein bisschen Deutschunterricht zu geben, doch das hat leider nicht funktioniert und ich begann, mich nach dem Sinn zu fragen. Wahrscheinlich werden diese Kinder nie in ihrem Leben nach Deutschland reisen und mit mir können sie ja Spanisch reden.
Manche Kinder sind mir gegenüber noch sehr skeptisch und glauben mir nicht, wenn ich ihnen etwas erkläre. Das finde ich ziemlich frustrierend. Andere nehmen meine Unterstützung gerne an und streiten sich darum, wem ich zuerst helfe. Was fast alle Kinder gemein haben ist, dass sie auf mich zustürmen, sobald ich das Gemeindezentrum betrete, und mich herzlich begrüßen. Da ist dann die Skepsis vergessen und sie freuen sich einfach, dass ich da bin und mit ihnen lerne und spiele. Zwei Hände mehr können hier gut gebraucht werden.
Überall, wo ich hingehe, lerne ich neue Leute kennen und bin mittlerweile auch den Gemeindemitgliedern nicht mehr fremd.
In kurzer Zeit habe ich sehr viele Kontakte sowohl zu Bolivianern, als auch zu anderen Freiwilligen geknüpft. Überall, wo ich hingehe, lerne ich neue Leute kennen und bin mittlerweile auch den Gemeindemitgliedern nicht mehr fremd. Ich bekomme sehr viele Einladungen, da ist es manchmal gar nicht so einfach, allen gerecht zu werden. Außerdem lerne ich typische Tänze aus Bolivien, was mir sehr viel Spaß macht. Ich kann bereits eine komplette Cueca cochabambina (typischer Paartanz aus Cochabamba, Anmerk.) tanzen.
Am ersten November-Wochenende bin ich mit einem bolivianischen Freund aufs Land gefahren, um dort gemeinsam mit anderen Freiwilligen den Día de los muertos (Allerheiligen / Allerseelen) zu begehen. In den Häusern wurden Altäre für die verstorbenen Angehörigen aufgebaut. Die Altäre waren mit viel Blumenschmuck, Fahnen und Schlaufen bedeckt sowie mit Leckereien, die der Verstorbene mochte. Es gab viele Brote, die mit Kreativität und Zuneigung geformt worden waren. Es waren Pferde, Engel und Leitern gebacken worden, die es dem Verstorbenen erleichtern sollen, in den Himmel zu gelangen. Dazu wurde Chicha, bolivianisches Maisbier, gereicht. Gut, dass Pachamama, die in den Anden verehrte Mutter Erde, den ersten Schluck erhält. Wir waren zu Pachamama etwas großzügiger als üblich, denn wir hätten unmöglich so viel Chicha trinken können, wie uns angeboten wurde. Am Freitagnachmittag wurden die Altäre dann auf den Friedhof verlegt. Nun bekam man auch Gebäck von den Gräbern, da der Glaube besagt, dass die Toten bereits in der Nacht gespeist hatten. Ich finde es sehr schön, dass es hier keinen Konflikt zwischen Christentum und indigenen Religionen gibt, so dass es keinen Widerspruch darstellt, gleichzeitig die Jungfrau Maria und die Pachamama zu verehren.
Es gibt hier viele liebe Menschen kennen zu lernen und viele Dinge zu erleben. Da ist es gar nicht so leicht, auch mal Freiräume für sich selbst zu schaffen. Manchmal finde ich es auch sehr anstrengend, immer die Gringa zu sein, aufzufallen und Deutschland zu repräsentieren, da ich eben nicht Deutschland, sondern Corinna bin.
Mit den Lebensbedingungen vor Ort komme ich gut zurecht. Natürlich ist das Wäschewaschen von Hand anstrengender und vor allem zeitaufwändiger, als einfach alles in die Maschine zu stecken. Aber nach diesem Jahr werde ich die Waschmaschine wohl so sehr schätzen wie noch nie zuvor. Mittlerweile habe ich kein Verständnis mehr dafür, wie man sich in anderen Teilen der Welt darüber beschweren kann, dass man jetzt noch die Wäsche aufhängen muss (die sich wie selbstverständlich von alleine gewaschen hat). Wer sich hierin wiederfindet, dem empfehle ich, mal seine Wäsche eine Woche lang von Hand zu waschen.
Ich denke, dass es wichtig ist, seine eigene Mentalität zu überdenken. Warum sollen europäische Methoden denn besser sein, nur weil wir sie unser ganzes Leben lang angewandt haben? Man sollte andere Menschen als gleichwertig betrachten und voneinander lernen. Ein Freiwilliger kommt in ein Land, um sich einzugliedern und nicht um alles umzukrempeln. Dazu gehören auch Kompromissbereitschaft und Akzeptanz.