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Der Internationale Tag der Jugend findet jedes Jahr am 12. August statt. An diesem Tag werden die Anliegen und Potenziale junger Menschen in den Mittelpunkt gestellt, einschließlich der Herausforderungen, denen Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderung begegnen. Der Tag betont die Notwendigkeit von Inklusion und Chancengleichheit. Denn alle jungen Menschen, unabhängig von ihren Fähigkeiten, sollen die Möglichkeit haben, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und ihre Zukunft selbstbestimmt zu gestalten.
Die Freiwillige Rosa Ruppert ist im August 2023 weltwärts nach Ecuador in die Hauptstadt Quito gegangen. Dort engagiert sie sich für die Stiftung Campamento Christo Esperanza, welche Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit körperlichen und geistigen Behinderungen unterstützt. In einem Interview hat sie uns von den Höhen und Tiefen eines Freiwilligendienstes erzählt und ihrem persönlichen Wunsch zum Internationalen Tag der Jugend.
Rosa: Meine Entsendeorganisation Ecuador Connection e.V. bietet zwei Projekte an. Zum einen mein Projekt in Quito,zum anderen ein Projekt in der Stadt Ibarra. Im Anschluss an die Zuteilung zum Projekt in Quito nach dem ersten Auswahlseminar, überwog anfänglich eine gewisse Enttäuschung, da die Arbeit mit körperlich und geistig beeinträchtigten Menschen für mich eine neue Erfahrung darstellte und ich mir unsicher war, ob ich den Anforderungen gewachsen sein würde. Nach einem ausführlichen Gespräch mit der hauptamtlichen Mitarbeiterin meiner Organisation und einem kurzen Praktikum im Alfred-Delpheim, einem Wohnheim für Menschen mit Beeinträchtigung, habe ich mich letztendlich dazu entschieden, mich auf die Arbeit in Quito einzulassen. Heute nach elf Monaten kann ich sagen, dass ich die Kinder, mit denen ich arbeite, sehr lieb gewonnen habe und ich so dankbar für die Zeit bin, die ich mit ihnen verbringen durfte.
Rosa: Meine täglichen Aufgaben sind überwiegend pflegerisch, da viele der Kinder die Aufgaben des Alltags nicht selbstständig bewältigen können. So helfe ich bei der Essenvergabe und dem Anreichen von Essen, dem Zähne putzen und Umziehen sowie der Körperpflege, z.B. durch das Wechseln von Windeln. Vormittags-und nachmittags finden Physio-und Sprachtherapie statt, bei der ich zuschauen und unterstützen darf. Außerdem helfe ich in dieser Zeit bei der Mobilisation und Stimulation (z.B. durch Geruchsaromen oder das Tasten von verschiedenen Oberflächen). Das Highlight der Kids und auch von uns Freiwilligen ist, wenn am Nachmittag Zeit bleibt, um draußen bei sonnigem Quito-Wetter zu spielen. Genauso besonders ist es für uns, dass wir seit etwa einem Monat, wöchentlich mit den Kindern ins Schwimmbad der Fundación gehen. Das macht allen unglaublich viel Spaß und bringt Abwechslung in den Alltag.
„In meinen Augen zählt die Barrierefreiheit zu den größten Herausforderungen, die den Kindern und Jugendlichen täglich begegnet.“
Rosa: In meinen Augen zählt die Barrierefreiheit zu den größten Herausforderungen, die den Kindern und Jugendlichen täglich begegnet. Ein Großteil der Kinder ist körperlich stark eingeschränkt. Das macht es schwierig Aktivitäten, die für die meisten Kinder so selbstverständlich sind und Freude bereiten, umzusetzen. Eis essen oder ein Ausflug in die Stadt sind nicht einfach möglich. Die Barrieren unserer alltäglichen Welt abzubauen, würde die Integration von Menschen mit Beeinträchtigung fördern. Dazu kommt, dass oft Materialien und Personal fehlen, die es ermöglichen Aktivitäten mit den Kindern umzusetzen und ihr Potential zu entfalten. Der Personalmangel gründet vor allem auf den schlechten Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals. Besonders die langen Arbeitszeiten, die körperlich anstrengende Arbeit sowie die große Verantwortung und die geringe Bezahlung, machen einen pflegerischen Beruf für viele Menschen unattraktiv. Dieses Problem ist nicht nur Ecuador präsent, sondern auch in Deutschland und weltweit wird es immer in den Nachrichten thematisiert. Ich selbst habe während meines Freiwilligendienstes immer wieder Personalwechsel erlebt, der es für die Kinder schwer macht Bezugspersonen zu finden und gleichzeitig auch das übrige Personal noch stärker belastet. Da bleibt keine Zeit mehr für Aktivitäten, die über das Notwendige hinausgehen.
Rosa: Mein Freiwilligendienst hat mir nochmal mehr gezeigt, dass das was am Ende des Tages zählt die schönen und besonderen Momente sind. Oft sind das nur Augenblicke, in denen man alles um sich herum vergisst und einem erst später bewusst wird, wie wertvoll diese Momente sind. Diese Momente machen so viel wieder gut. Denn auch wenn die Arbeit mit den Kindern manchmal viel Kraft und Geduld kostet, ist sie mindestens genauso erfüllend. Es ist so ein schönes Gefühl Dankbarkeit und ehrliche Freude über meine bloße Anwesenheit zu spüren. Verbindungen zu anderen Menschen machen das Leben so besonders und lebenswert.
„Bei einem Freiwilligendienst geht es nicht um das gleiche Lernen wie in der Schule. Hier habe ich vor allem ganz viel auf zwischenmenschlicher Ebene gelernt.“
Rosa: Erstens steht Ecuador für mich für eine wunderschöne Natur, die noch nicht so touristisch erschlossen ist. Ecuador ist mit seinen vier Regionen (Orient, Sierra, Costa und Galapagos) ein wirklich so vielseitiges Land. Während meines Freiwilligenjahres habe den Regenwald bereist, bin den Cotopaxi bestiegen, habe Wale an der Küste gesehen und bin auf den Galapagos-Inseln mit Seelöwen, Schildkröten, Haien, Pinguinen und so viel mehr Tiere geschnorchelt. Das ist so beeindruckend.
Zweitens verbinde ich ganz persönlich mit Ecuador auch das Gefühl von Freiheit. Nach der Schule, raus von zu Hause, ein ganz neues Leben, in das ich eintauche. Bei dem Freiwilligendienst geht es nicht um das gleiche Lernen wie in der Schule. Hier habe ich vor allem ganz viel auf zwischenmenschlicher Ebene gelernt. Drittens verbinde ich mit Ecuador die Leichtigkeit vieler Menschen. Man wird so gut wie immer herzlich begrüßt, wenn man verunsichert schaut, wird einem direkt Hilfe angeboten. Das ist meine persönliche Erfahrung, die ich sehr wertschätze. Ich spüre eine allgemeine Lebensfreude: an jeder Ecke hört man Musik, in Ecuador wird viel getanzt und die Familie steht an oberster Stelle und das trotz der schwierigen politischen und gesellschaftlichen Umstände.
Rosa: Hätte mir jemand vor einem Jahr erzählt, welche Höhen und Tiefen dieses Jahr mit sich bringt, hätte ich es nicht geglaubt. Ohne Frage war der Beginn schwierig: die Arbeit war ungewohnt und anstrengend, das Leben in der WG war für mich neu und das alles in einem fremden Land mit einer unbekannten Kultur. Ein Sprung ins kalte Wasser. An dem Punkt an dem ich jetzt stehe, kann ich sagen, dass ich sehr froh bin, einen Freiwilligendienst gemacht zu haben und ich es nicht bereue. Die Kinder sind mir wirklich sehr ans Herz gewachsen, ich habe sie so unfassbar lieb gewonnen, jeden Einzelnen so wie er ist, ganz individuell. Da ist eine Bindung entstanden, bei der ich mir sicher bin, dass ich sie nie vergessen werde. Beim Gedanken, an den Abschied laufen mir Tränen in die Augen. Umso dankbarerer bin ich für die schönen Momente, die ich mit den Kindern sammeln durfte. Auch all die Reisen, die ich mit meinen WG-Mitbewohnern in Ecuador gemacht habe, das Eintauchen in eine unbekannte Kultur, der Kontakt zu Ecuadorianern, haben meinen persönlichen Horizont stark erweitert. Das ist eine ganz besonderes Gefühl von Freiheit. Deshalb mein Tipp: Nicht viel nachdenken, sondern es einfach machen.
Rosa: Zum internationalen Tag der Jugend wünsche ich mir, dass man die Integration von Menschen mit Beeinträchtigung mehr fördert. Dabei denke ich vor allem an den Ausbau der Barrierefreiheit. Weniger physische Hindernisse machen es körperlich eingeschränkten Menschen so viel leichter in der Gesellschaft teilzunehmen. Auch wünsche ich mir bessere Arbeitsbedingungen für pflegerische Berufe. Ich habe den größten Respekt für alle Menschen, die diese Tätigkeit ausüben.
Vielen Dank für den spannenden Einblick in das Projekt!