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Der Internationale Tag der Entwicklungsfragen findet jedes Jahr am 24. Oktober statt und soll globale Herausforderungen im Zuge der Entwicklungszusammenarbeit in den Fokus rücken. Anlässlich dieses Tages haben wir mit dem weltwärts-Freiwilligen Leonhard Decker gesprochen, der derzeit in Kigali, Ruanda, für die Partnerorganisation ARCOS Network tätig ist. Im Interview hat er mit uns seine ersten Eindrücke von einem modernen und lebendigen Ruanda und seine Gedanken zu Entwicklungszusammenarbeit geteilt.
Leo: Ich liebe es hier. Gefühlt jeden Tag lernt man neue Menschen kennen, das Wetter ist herrlich und das Essen lecker. Ich kann mich wirklich nicht beschweren.
Nach wenigen Tage waren die Stadt und das Leben ganz normal, als hätte ich nie woanders gelebt. Das liegt aber glaube ich auch daran, dass Kigali im ostafrikanischen Kontext sehr modern und sauber ist und über eine gute Infrastruktur verfügt. Das klischeehafte Bild, dass beispielweise überall nur Lehmstraßen vorzufinden sind, trifft hier nur selten zu.
Leo: Tatsächlich wollte ich schon nach dem Abitur ein weltwärts-Jahr machen. Aufgrund verschiedener Gründe hat das nicht geklappt, so dass erstmal andere Dinge wie zum Beispiel das Studium anstanden.
Das außereuropäische Ausland, insbesondere der afrikanische Kontinent, hat mich schon von klein auf begeistert. Deshalb habe ich den Gedanken nie verworfen, einmal dort hinzugehen. In diesem Sinne kann ich – wenn auch etwas verspätet – meinen Traum doch noch leben.
Leo: Mein Studium ist die Grundlage für meine Arbeit. Das gelernte Wissen meines Studiums, vor allem aber auch meine Fähigkeiten im Umgang mit speziellen Computerprogrammen, begleiten mich tagtäglich. Eins zu eins kann ich mein Studium nicht anwenden. Dafür gibt es zwischen Stadtplanung und Umweltplanung dann doch noch einige Unterschiede. Dennoch fühle ich mich gut gerüstet für meine Aufgaben hier. Mein Fachwissen aus dem Studium hilft mir, mich hier viel besser bei der Arbeit einzubringen.
„Das gelernte Wissen meines Studiums, vor allem aber auch meine Fähigkeiten im Umgang mit speziellen Computerprogrammen, begleiten mich tagtäglich. “
Aktuell erarbeite ich diverse Karten über Ruanda, Ostafrika oder den gesamten Kontinent als Grundlage für weitere Planungen. In diesen sind beispielsweise geographische Gegebenheiten wie Topographie und Gewässer oder auch bestimmte Zonen wie Naturschutzgebiete abgebildet. Das bedeutet, dass ich momentan viel Zeit im Büro und am Laptop verbringe.
Regelmäßig führen uns zudem Field Trips in die Stadt oder sogar in andere Regionen Ruandas. Dort pflanzen wir dann unter anderem Baumschulen, erheben GPS-Daten auf oder klären an Schulen über Klimawandel auf.
Leo: Es ist schon erstaunlich, wie modern das Land ist. Das gilt nicht nur für die Innenpolitik oder die Infrastruktur innerhalb Ruandas, sondern auch im internationalen Sinne. Ruanda spielt eine wichtige Rolle in Ost- und Zentralafrika und öffnet sich insbesondere auch dem Westen. Eine absolute Überraschung war wirklich, wie unglaublich sauber und sicher es hier ist. Das wurde uns zwar auch im Vorfeld schon gesagt, so richtig verstehen konnte ich es aber nicht. Erst als ich einige Tage vor Ort war, habe ich gemerkt, was das bedeutet.
Was ich ebenfalls sehr schön finde, ist die Reaktion der Ruander*innen auf mich. Wenn man sich auf der Straße, in Läden oder sonst wo unterhält, sind die Blicke oftmals sehr distanziert. Spreche ich jedoch ein Wort auf Kinyarwanda der Landessprache- strahlen alle auf, wollen mit mir reden und bei mir sein.
Leo: Ich finde die Zusammenarbeit ist hier der ausschlaggebende Punkt. Es ist wirklich schön, wie ich hier mit Kolleg*innen mein Wissen aus Deutschland teile, um bestimmte Vorschläge und Lösungen zu finden. Zeitgleich lerne ich von den Wegen und Möglichkeiten hier vor Ort. Dieses gegenseitige Lernen ist sehr wichtig. Wir leben in einer globalisierten Welt, jedenfalls im wirtschaftlichen Sinne. Die sozial-gesellschaftliche Ebene wird dabei völlig vergessen. Gerade dieses Miteinander ist sehr schön und es wäre so bereichernd, wenn das in vielen weiteren Bereichen stattfinden könnte.
Es scheint, als sei der der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit immer noch stigmatisiert - als ob das „tolle“, „reiche“ und „schlaue“ Europa dem „armen“, „kaputten“ und „hilflosen“ Afrika erst ein richtiges Leben geben würde. Und das, obwohl schon der Begriff „Hilfe” durch das Wort „Zusammenarbeit” ersetzt wurde. Ja, bei vielen Projekten hier vor Ort ist man auf die finanziellen Mittel des globalen Nordens angewiesen, aufgrund der Historie vieler Staaten ist das jedoch auch das Mindeste, was zu tun ist.
Vom Internationalen Tag der Entwicklungsfragen höre ich tatsächlich leider zum ersten Mal. Auch wenn die Intention dahinter sehr wichtig ist, fehlt es, glaube ich, allerdings noch an Präsenz in der Gesellschaft.
Leo: Auch wenn die Antwort vielleicht etwas langweilig klingt, aber ein sehr großes Thema ist der Klimawandel. 70 Prozent der Bevölkerung ist im primären Sektor tätig, ein Großteil der Menschen lebt unter der Armutsgrenze und in ganz einfachen Verhältnissen. Bei Klimaereignissen wie Dürre oder Starkregen sind viele Menschen in ernsthaften Problemen, so dass etwa Sie Kinder nicht in die Schule schicken können oder die ganze Lebensgrundlage verschwindet. Die Folgen sind extrem und mit fortschreitendem Klimawandel nehmen die Herausforderungen weiter zu.
Leo: Die erste Sache, die mir einfällt, ist eine traurige Geschichte: Ich war abends mit einigen Arbeitskolleg*innen auf einem Schuhmarkt. Während die anderen durch das Angebot stöberten, führte ich ein Gespräch mit einem jungen, 18-jährigen Mann, der seinem Vater beim Verkaufen der Schuhe half. Eigentlich wolle er Physik studieren, da er sich sehr für den Weltraum interessiert. Man hat die Hoffnung in seinen Augen gesehen, es irgendwann auch zu machen. Doch zeitgleich auch die realistische Einschätzung, dass er höchstwahrscheinlich in die Fußstapfen seines Vaters treten wird. Ein sehr trauriges Gespräch, was mich ein wenig mitgenommen hat. Diese Hoffnung gepaart mit der Verzweiflung und Realität hat mich noch einige Zeit in Gedanken verfolgt.
Aber um auch eine schöne Sache zu teilen: Bei der Einweihungsfeier von meiner WG waren neben deutschen Volunteers auch einige ruandische Volunteers anwesend. Diese haben uns viele Tänze und Songs gezeigt, so dass wir auch etwas zurückgeben wollten. Und um es kurz zu machen: Sie waren alle riesige Fans vom Fliegerlied. Ein unglaublich schönes und vor allem lustiges Erlebnis, welches ich vorher definitiv nicht auf meiner Bucketlist stehen hatte.
Leo: Machen. Einfach machen. Und dabei ist es egal, ob es direkt nach der Schule oder erst nach dem Studium ist. Beides hat seine Vorteile. Ein Jahr im Ausland lässt dich einfach nochmal ganz anders wachsen. Du wirst so viel selbstständiger. Dein Weltbild vergrößert sich. Du entdeckst neue Interessen und Hobbies, schließt viele neue Freundschaften, machst unglaubliche Erfahrungen. So ein Jahr ist eine der Zeit der Superlative. Und das kann dir niemand mehr nehmen. Ich kann nur jedem raten, diesen Schritt zu gehen, auch wenn es vielleicht Überwindung kostet. Man kann nur gewinnen.
„So ein Jahr ist ein Jahr der Superlative. Und das kann dir niemand mehr nehmen.“
Wenn man noch unsicher ist, würde ich raten, sich dennoch bei einer oder mehreren Organisationen zu bewerben und zu den Vorbereitungsseminaren zu gehen. Dort lernt man noch so viel mehr als auf den Internetseiten und vor allem trifft man doch auf Gleichgesinnte, mit denen viel gemacht, gelacht und geredet wird. Dann merkt man schnell, ob man dieses Abenteuer starten möchte oder nicht.
Für die Leute, die - wie ich - erst später gehen, trifft das alles genau so zu. Ja, es gibt Altersunterschiede, die fallen aber eigentlich nicht ins Gewicht. Und mit der bereits vorhandenen Ausbildung kann man noch viel mehr bei den Einsatzstellen machen. Es macht sehr viel Spaß, das eigene Wissen und die Fertigkeiten einzubringen und Teil des Teams zu sein.
Leo: Wo soll ich da anfangen? Noch mehr Menschen kennenlernen, Ruanda entdecken, die Nachbarländer besuchen, wichtige Projekte auf der Arbeit begleiten und meinen Beitrag leisten, die Sprache Kinyarwanda besser lernen, noch mehr Teil der Gesellschaft werden und und und.
„Wenn ich dran denke, was ich bisher schon alles erlebt habe, das aber gerade mal der Anfang war, bin ich sehr gespannt auf die Sachen, die noch kommen.“
Wenn ich dran denke, was ich bisher schon alles erlebt habe, das aber gerade mal der Anfang war, bin ich sehr gespannt auf die Sachen die noch kommen. Ich freue mich riesig auf die nächsten Monate und all die Erlebnisse und Erinnerungen, die ich in dieser Zeit sammeln werde.
Vielen Dank für diese spannenden Einblicke!