weltwärts
gehen

weltwärts
gehen

Weltfrauentag: Der Weg zur Geschlechtergerechtigkeit ist noch weit

Am 8. März, dem internationalen Frauentag, wird weltweit für mehr Frauenrechte und Gleichstellung demonstriert. Im Interview spricht Philina (19 Jahre) über ihren weltwärts-Freiwilligendienst mit Experiment e.V. in Benin. Dort setzt sie sich für die Rechte von Mädchen und Frauen ein. Sie berichtet von der anfänglichen Herausforderung durch die Sprachbarriere und wie sie diese gemeistert hat. Außerdem teilt sie ihre Perspektiven zu den Grenzen des Freiwilligendienstes und wendet sich mit einer motivierenden Botschaft an Frauen und Mädchen weltweit.

Was macht dein Projekt konkret zur Stärkung der Mädchen- und Frauenrechte? Welche Aufgaben übernimmst du dabei?

Philina: Der Beitrag der "La Passerelle" liegt in meinen Augen vor allem in dem Einfluss, den sie auf so viele Einzelschicksale hat. Sie bietet Mädchen und jungen Frauen aus verschiedenen Missbrauchssituationen oder dysfunktionalen Familienverhältnissen eine Zuflucht und unterstützt sie auf ihrem Weg. Sie hilft ihnen neues Selbstvertrauen aufzubauen. Durch Ausbildungsmöglichkeiten, zum Beispiel in einer Schneiderei auf dem Projektgelände, werden auch für diejenigen Zukunftsperspektiven geschaffen, bei denen ein regulärer Schulbesuch aus verschiedenen Gründen nicht möglich beziehungsweise in der Vergangenheit nicht erfolgt ist.

Meine Mitfreiwillige und ich sind hauptsächlich zusätzliche Ansprechpartnerinnen für die Mädchen. Mal spielen wir Spiele und führen Gespräche, mal üben wir mit ihnen Mathematik oder auch das deutsche Alphabet.

In deinem Projekt hast du mit sehr sensiblen Themen zu tun. Was war zu Beginn schwierig für dich?

Philina: Eine besondere Herausforderung war und ist die Sprachbarriere. Gerade zu Beginn waren meine Französischkenntnisse begrenzt. Hinzu kommt, dass manche von den Mädchen es ebenfalls nicht so gut beherrschen. Benin hat über 50 lokale Sprachen, zum Beispiel Fongbè oder Yoruba. Obwohl einige Kinder mehrsprachig aufwachsen, ist Französisch auch häufig nur eine in der Schule erlernte Zweitsprache.

Im Normalfall ist das zwar hinderlich, aber nicht so schlimm - eine Wiederholung, ein bisschen Pantomime oder ganz am Anfang auch mal ein Onlinetranslator haben sich so manches Mal als hilfreich erwiesen. Bei sensiblen Themen stellt sich das Ganze wesentlich problematischer dar, insbesondere wenn sich jemand in einer emotionalen Ausnahmesituation befindet. Es ist schwer Unterstützung anzubieten, wenn man noch nicht einmal das Problem in Gänze verstanden hat. Hierbei muss man auch klar die Grenzen des Freiwilligendienstes anerkennen. Ich bin beispielsweise sehr froh über die ausgebildeten Psychologen in der Passerelle. Für ihre Arbeit wären wir einfach nicht qualifiziert.

Eine besondere Herausforderung war und ist die Sprachbarriere.

Mit Blick auf Feminismus und Gleichberechtigung: Welche Herausforderungen gibt es in Benin?

Philina: Im Bezug auf diese Frage möchte ich im Vorhinein anmerken, dass ich nur meine subjektive Sichtweise teilen kann, basierend auf den Erfahrungen, die ich in der Zeit hier gemacht habe. Mir jedoch eine besondere Expertise, insbesondere in Bezug auf Benin, einzubilden fände ich vermessen.

Die größte Herausforderung in Benin sehe ich darin, dass klare, traditionelle Rollenbilder noch sehr verbreitet sind. Der Mann bildet dabei das Oberhaupt und den Versorger der Familie, während die Frau, unterstützt von den Kindern, für den Haushalt zuständig ist. Das gilt übrigens auch, falls sie selbst berufstätig ist.

Frauen wird durchaus Wertschätzung entgegengebracht. Einen physischen Beleg dafür bildet beispielsweise die 2022 eingeweihte Amazonenstatue in Cotonou, welche schnell zu einer der wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Benin aufgestiegen ist. Sie ist laut Inschrift nicht nur eine Würdigung der historischen, rein weiblichen Militäreinheit, die ebenso wie die Männer zur Verteidigung des Landes beitrug, sondern auch ein Ausdruck des Stolzes auf die beninischen Frauen.

Im Alltag begegnet man vielen Frauen, die erfolgreich ihre eigenen Unternehmen leiten oder mit dem Einkommen aus einem kleinen Laden, einer sogenannten ”Boutique”, eine Familie versorgen. Dennoch herrscht in vielen Punkten große Ungleichheit: Die Bildungschancen sind zum Beispiel für Jungen deutlich besser als für Mädchen. Der Weg bis zur Geschlechtergerechtigkeit ist noch weit.

Statue der Amazone in Cotonou, Benin.
Mit der Statue der Amazone in Cotonou werden auch die beninischen Frauen gewürdigt.

Und welche Herausforderungen siehst du in Deutschland?

Philina: In Deutschland sind viele Grundlagen schon gelegt und es besteht ein breiteres gesellschaftliches Bewusstsein für die Thematik. Trotzdem sind Frauen immer noch wesentlich häufiger von Gewalt in Partnerschaften betroffen, in Führungspositionen weiterhin unterrepräsentiert und werden durch einen signifikanten Gender Pay Gap benachteiligt.

Bis Männer und Frauen nicht nur nach dem Grundgesetz gleichberechtigt, sondern im Alltag tatsächlich gleichgestellt sind, muss auch hier noch einiges geschehen. Wesentlich für diesen Prozess ist es aus meiner Sicht, geschlechtsbezogene Stereotypen endlich zu überwinden.

Was könntest du anderen jungen Menschen mitgeben, die überlegen, einen Freiwilligendienst in einem ähnlichen Projekt zu leisten?

Philina: Häufig liegt der Entscheidung für einen Freiwilligendienst in einem solchen Projekt ein gewisser Idealismus zugrunde. Macht euch vorher aber bewusst, dass ihr in der Praxis häufig wirklich nur einen sehr kleinen Beitrag leisten könnt. Euer Beitrag ist jedoch einer von unendlich vielen, die zusammen Veränderung bewirken.

Wenn nicht alles auf Anhieb klappt, frustriert nicht. Gebt euch die Zeit, die ihr braucht, um euch in dieser neuen Lebenslage zurechtzufinden.

Seid aber zugleich darauf vorbereitet, dass ihr in Situationen geraten könntet - auch außerhalb des Projektes - die eine Entscheidung verlangen. Was fällt für euch unter die Akzeptanz von kulturellen Unterschieden und Gebräuchen eines anderen Landes und was verstößt gegen eure grundlegenden Überzeugungen oder persönlichen Grenzen? In solchen Fällen ist es wichtig respektvoll das Gespräch zu suchen, Probleme dabei aber offen zu kommunizieren.

"Lasst euch von niemandem sagen, was ihr tun könnt und was nicht. Verfolgt eure Ziele, auch wenn der Weg für euch manchmal steiniger ist. Ihr schafft damit einen Pfad - nicht nur für euch selbst, sondern auch für alle, die nach euch kommen."

Zurück