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Am 9. August macht der Internationale Tag der indigenen Völker auf die Vielfalt indigener Kulturen und deren Recht auf Selbstbestimmung aufmerksam. Dabei geht es auch darum, das reiche kulturelle Erbe indigener Gemeinschaften zu bewahren und weiterzugeben. Der Freiwillige Konrad Möltgen engagiert sich seit August mit der Organisation Vereinigung Junger Freiwilliger in der indigenen Gemeinde Chaupiloma (Ecuador). Er arbeitet mit Kichwa-Familien zusammen, die von der Landwirtschaft leben. In einem Interview hat er uns von seinem Alltag in der Gemeinde erzählt und wie er auf die Rechte der Indigenen in Ecuador blickt.
Konrad: Wir Freiwilligen leben und arbeiten hier in der Gemeinde und unterstützen die Bewohner*innen vor Ort. Unsere Aufgaben variieren von Tag zu Tag, es gibt immer etwas anderes zu tun. Aktuell sind Schulferien in Ecuador, aber zuvor haben wir zwei Tage in der Woche den Englischunterricht in der Schule hier unterstützt, die auch Schüler*innen der umliegenden Gemeinden besuchen. Daneben helfen wir vor allem in der Landwirtschaft – unter anderem in den Rosenplantagen der Familien – aus. Das ist super, da wir mit vielen Menschen in direkten Austausch kommen. Daneben unterstützen wir andere Familien vor allem im Alltag bei der Ernte von Erdbeeren oder Mais, aber auch bei der Versorgung von Tieren.
Konrad: Als wir in Ecuador angekommen sind, haben wir zunächst in Quito gewohnt. Als wir ein paar Tage später nach Chaupiloma gekommen sind, war das zunächst ein enormer Kontrast zum Stadtleben. Aber wir haben uns sehr schnell eingewöhnt und es ist einfach total schön hier in der Gemeinschaft leben zu dürfen, auch wenn es natürlich ein völlig anderes Leben ist als in der Stadt oder in Deutschland.
„Es ist einfach total schön hier in der Gemeinschaft leben zu dürfen, auch wenn es natürlich ein völlig anderes Leben ist als in der Stadt oder in Deutschland.“
Mit Blick auf sprachliche Herausforderungen kann man sagen, dass in Chaupiloma eigentlich alle indigener Abstammung sind. Die Älteren sprechen in ihrem Alltag noch die indigene Sprache Kichwa, die Kinder haben Kichwa-Unterricht in der Schule. Das zeigt eben, dass die gemeinsame Kultur auf jeden Fall gelebt und erhalten bleiben soll. Wir waren auch öfter bei Älteren um ein wenig Kichwa zu lernen. Aber man kann hier mit fast allen problemlos auch auf Spanisch kommunizieren. Die Jüngeren beispielsweise können zwar Kichwa aus der Schule, aber verwenden es in ihrem Alltag kaum. In anderen Regionen Ecuadors, beispielweise in der Provinz Cotopaxi, sind die indigenen Sprachen aber präsenter. Hier sprechen alle Generationen noch in ihrem gesamten Alltag Kichwa.
Konrad: Grundsätzlich kommt es immer darauf an, mit wem man über die Herausforderungen für Indigene und Politik in Ecuador spricht. Viele Menschen aus der Stadt haben eine völlig andere Perspektive auf diese Thematik als die indigenen Dorfbewohner*innen hier vor Ort. Beispielsweise regierte bis vor ein paar Jahren der Präsident Correa, welcher viele Gesetze zugunsten der indigenen Bevölkerung erlassen hat. In der Stadt wurde dieser aber von vielen als zu sozialistisch bewertet. Hier vor Ort wussten die Menschen aber seinen Einsatz für die Indigenen sehr zu schätzen.
„Grundsätzlich kommt es immer darauf an, mit wem man über die Herausforderungen für Indigene spricht. Viele Menschen aus der Stadt haben eine völlig andere Perspektive als die indigenen Dorfbewohner*innen hier vor Ort.“
Die indigenen Gemeinden sind aber auch unter einander gut selbst organisiert. So repräsentiert die Partei CONAIE die indigenen Gemeinschaften aus allen Teilen Ecuadors und setzt sich für den Schutz der Natur und des Lebensraums von Indigenen, aber eben auch für die Rechte der indigenen Minderheiten und deren Sichtbarkeit in der ecuadorianischen Politik ein.
Die hohe Autonomie die den Indigenen mitunter zugesprochen wird hat aber auch Schattenseiten. Spontan fällt mir ein Gespräch mit einer befreundeten Familie vor ein paar Tagen ein. In den indigenen Gemeinden fehlt es oft an institutionellen Strukturen wie Polizei oder Justiz – die Gemeinden sind sich dahingehend selbst überlassen. Sie werden als sogenannte juristische Gemeinden eingestuft, welche justizielle Angelegenheiten selbst handhaben dürfen. Daher ist die Bestrafung von Diebstählen in einigen Gemeinden mit Willkür für den Beschuldigten oder die Beschuldigte verbunden. Die Strafmaße fallen oftmals deutlich härter aus als es die ecuadorianische Justiz gegebenenfalls vorsehen würde.
Konrad: Vielfalt und Stolz auf die Kultur. Die Menschen sind unfassbar stolz beispielsweise auf ihre Sprache Kichwa und ihre Kultur im Allgemeinen. Die Menschen feiern hier viele traditionelle Feste wie beispielsweise aktuell das Inti Raymi, was übersetzt so viel wie „das Fest der Sonne“ bedeutet. Tage- und nächtelang tanzen die Menschen zu ihrer traditionellen Musik, was wirklich unglaublich ist. Und daran anknüpfend eben auch die Musik, aus der ich viel mitnehme.
Und das erste was mir direkt in den Kopf gekommen ist, was wir hier sofort gelernt haben: Geduld! Man muss hier sehr viel warten auf Verabredungen. Aber das hat für mich irgendwie auch etwas Schönes, da wir uns oft hinsetzen und die Umgebung wahrnehmen und mit anderen Menschen ins Gespräch kommt.
Konrad: Ich glaube viele neue Freiwillige orientieren sich sehr stark daran, welche Projekte die Freiwilligen vor ihnen in ihren Einsatzstellen entwickelt und umgesetzt haben. Das erzeugt bei vielen Druck, da einzelne Projekte ihnen vielleicht gar nicht so viel Spaß bereiten.
Aber wir haben uns eben gefragt, worauf wir Lust haben und wie wir uns miteinbringen können? Im Endeffekt haben wir ein kleines Musikprojekt gestartet und einen Englischkurs. Ich glaube, dass individuelle Projekte eben besonders Spaß machen, wenn man sie auch wirklich aus sich selbst heraus umsetzen möchte. Am Anfang traut man sich vielleicht nicht, eigene Ideen einzubringen, aber man sollte auf jeden Fall den Mut dazu haben!
Vielen Dank für das spannende Gespräch!