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Am 15. September findet der Internationale Tag der Demokratie statt. Im Jahr 2007 wurde der Tag von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen, um die Grundsätze der Demokratie zu fördern und aufrechtzuerhalten. Der Freiwillige Jakob Lorenz Fritsch entschied sich nach einem Studium der Politikwissenschaften in den USA über die Entsendeorganisation artefact gGmbH weltwärts nach Windhoek in Namibia zu gehen. Dort engagiert er sich für das Namibia Institute for Democracy im Bereich der politischen Bildung.
Jakob: Das Namibia Institute for Democracy kooperiert mit verschiedenen Partnerorganisationen und widmet sich Projekten zu politischer Bildung, Menschenrechten und kollektivem Trauma. Viele dieser Projekte werden durch deutsche Stiftungen oder Entwicklungszusammenarbeit unterstützt.
Eines dieser Projekte, Namibia Needs Me, hat zum Ziel Schüler*innen der neunten Klasse, Lehrer*innen, Gemeinschaften, zivilgesellschaftliche Organisationen, Politiker*innen und Studierende über die Funktionen des namibischen Staates aufzuklären und Schulungen anzubieten. Trilogy to Remembrance hingegen setzt sich mit dem Genozid an den Ovaherero und Nama während der deutschen Kolonialzeit und dessen Aufarbeitung auseinander. Ein weiteres Projekt, das Voter Observer Training, bildet junge Menschen zu Wahlbeobachter*innen für die bevorstehenden Wahlen aus. Parallel dazu steht das Projekt Leave No One Behind, das sich für die Rechte der LGBTQ+ Gemeinschaft einsetzt und durch den Dialog mit Medien und Politiker*innen versucht, die Lebensbedingungen dieser Menschen zu verbessern.
Die Beispiele zeigen, dass das Namibia Institute for Democracy breit aufgestellt und in verschiedenen Feldern involviert ist.
Jakob: Ich unterstütze grundsätzlich alle Projekte, aber meine Hauptaufgabe ist die Unterstützung des Namibia Needs Me Projekts. Hierfür habe ich bereits im Bereich politischer Bildung in Schulen mitgewirkt, verschiedene Reisen zu Universitäten oder Gemeinschaften und Workshops geplant und bei Veranstaltungen moderiert.
„Das Beste am Namibia Institute for Democracy ist dieser Aspekt – jede*r darf seine Meinung einbringen, und jede*r wird dabei respektiert. So können wir die Prinzipien einer Demokratie auch direkt bei der Arbeitsstelle einbauen.“
Generell gleicht hier kein Tag dem anderen. Besonders aufregend war für mich ein Meeting mit Vertreter*innen des Bildungsministeriums, bei dem ich meine eigenen Ideen zum Training von Lehrer*innen einbringen konnte. Die Mitarbeiter*innen des Instituts und meine Chefin beziehen auch oft meine Meinung in die Projektplanung mit ein. Das Beste am Namibia Institute for Democracy ist dieser Aspekt – jede*r darf seine Meinung einbringen, und jede*r wird dabei respektiert. So können wir die Prinzipien einer Demokratie auch direkt bei der Arbeitsstelle einbauen.
Jakob: Das Bildungssystem in Namibia ist leider immer noch von der Apartheid-Zeit geprägt. In dieser Zeit wurden schwarze Namibier*innen ausgebildet, um entweder Lehrkraft oder Krankenpfleger*in zu werden. Dieses System wird auch als Bantu Education bezeichnet und wurde noch immer nicht vollständig angepasst. Wir haben bereits Gespräche mit dem Bildungsministerium geführt: in drei Jahren soll ein Fach zur staatsbürgerlichen Bildung eingeführt werden, um das veraltete Bantu-Bildungssystem zu überwinden.
Außerdem haben viele junge Menschen wenig Interesse an Politik und gehen nicht wählen. Ein Grund für dieses Desinteresse ist die hohe Arbeitslosenzahl in Namibia. Da viele sich nur gerade so über Wasser halten können, gibt es für viele Menschen andere Prioritäten. Hierbei kann ich auf jeden Fall viele Parallelen zu den USA ziehen, dort sehe ich ebenfalls eine große Apathie gegenüber den Wahlen, vor allem bei jungen Wähler*innen. In beiden Ländern haben mir viele junge Wähler*innen ihren Eindruck geschildert, mit ihrer Stimme kein anderes Ergebnis erzielen zu können. Diese Einstellung schadet der Demokratie und nimmt den jungen Wähler*innen ihre Stimme.
Jakob: Eine große Herausforderung im Arbeitsfeld ist junge Leute zum Wählen zu motivieren. Wir probieren sehr viele Strategien aus, hören jedoch immer wieder die Aussage, dass eine Wahl doch nichts verändern würde. Zum Glück ändert sich zumindest unter den jüngsten Wähler*innen diese Einstellung, vor allem nach unseren Trainings.
Jakob: Das größte Learning bis jetzt war der kulturelle Unterschied zwischen Namibia und Deutschland. Oft werden hier ältere Menschen mit ihrem Nachnamen adressiert und erhalten besonderen Respekt, wie zum Beispiel der Vorbehalt des Beifahrersitzes im Auto. Daran musste ich mich erst gewöhnen, da es in Deutschland für mich einen viel familiäreren Umgang mit älteren Menschen gab.
Jakob: Ich verbinde auf jeden Fall Kapana Würze mit Namibia. Ich habe das erste Mal dieses Gewürz bei einem Fleischmarkt probiert, und seitdem würze ich so ziemlich alle deftigen Gerichte damit. Es schmeckt salzig, aber auch ein wenig süßlich, und auch scharf. Selbst wenn ich nur daran denke, läuft mir das Wasser im Mund zusammen! Am allermeisten verbinde ich mit Namibia aber die offenen, netten Menschen. Ich liebe die Gastfreundlichkeit der Menschen, die Offenheit für neue Freundschaften und Beziehungen, und die Freundlichkeit. Meine Kolleg*innen haben mich freundlich empfangen, sodass ich mich direkt wohlgefühlt habe. Fast alle Namibier*innen sind so offen, dass man einfach auf der Straße ins Gespräch kommen kann und direkt Freundschaften schließt.
„Falls ein Kollege oder eine Kollegin, die du noch nicht gut kennst, dich zu einer Veranstaltung oder zum Kochen einlädt, dann nimm die Einladung an! Der Freiwilligendienst geht so schnell vorbei.“
Jakob: Mein Tipp wäre, dass man erstmal nicht Nein sagt, und zu allem offen ist. Natürlich hat jede*r gewisse Grenzen, aber das Auslandsjahr sollte ein Schritt aus der Komfortzone sein, und dafür muss man verschiedene neue Erfahrungen machen. Ich habe zum Beispiel einen zweitägigen Urlaub mit einem Kumpel, den ich drei Tage zuvor getroffen hatte, gemacht. Für mich wäre so etwas in Deutschland unvorstellbar gewesen, aber der Freiwilligendienst schubst einen raus aus der Komfortzone und dadurch erlebt man viel mehr. Falls ein Kollege oder eine Kollegin, die du noch nicht gut kennst, dich zu einer Veranstaltung oder selbst nur zum Kochen einlädt, dann nimm die Einladung an! Der Freiwilligendienst geht so schnell vorbei, da kann man sich es nicht leisten, bei solchen Einladungen zu hadern.
Jakob: Ich wünsche mir zum Internationalen Tag der Demokratie, dass sich die menschenrechtlichen Prinzipien der Demokratie weiterhin ausbreiten. Allerdings wünsche ich mir auch, dass jedes demokratische Land seinen eigenen Ansatz zur Demokratie hat. Ich glaube nicht, dass ein deutsches demokratisches System in einem kulturell sehr anderen Land den gleichen Effekt haben kann. Wie ich vorhin erwähnt habe, werden in Namibia ältere Leute sehr respektiert. Daher fällt es in Namibia vielen jungen Leuten sehr schwer, die Entscheidungen der älteren Politiker*innen zu hinterfragen. Ich wünsche mir, dass jedes Land die menschenrechtlichen Prinzipien einer Demokratie beibehält, aber die Struktur um diese Prinzipien herum auf das eigene Land zurechtschneidet.
Vielen Dank für das spannende Gespräch!