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In die Welt
eintauchen
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Aller Anfang ist schwer, richtig? Das ist mir in diesem ersten Monat in Uganda besonders bewusst geworden. Was genau ein Kulturschock ist, konnte mir vor der Abreise niemand so genau erklären. Jetzt weiß ich es ziemlich gut und verstehe umso besser, warum man das Gefühl nicht beschreiben kann. Etwa eine Woche war ich in diesem „Kulturschock“ gefangen, dabei hatte ich von der Kultur ja noch überhaupt nichts gesehen. „Ich will nach Hause.“ Das war dauerhaft in meinem Kopf. Ich war in dieser Woche konstant extrem gestresst. Eine Mischung aus Heimweh, Angst, Unwohlsein und Überforderung hatte sich in mir eingenistet. Ich habe mich nur ungern vor die Tür getraut, konnte nichts essen, hatte noch keinen richtigen Bezug zu den anderen beiden Freiwilligen und stand wirklich dauerhaft unter Strom. Und auch wenn es nur sieben Tage waren, hat mich die Zeit so sehr an mein Limit gebracht, dass ein Abbruch des FSJs als einzige Option erschien. Da habe ich das erste Mal gemerkt, was eine Komfortzone wirklich ist, und dass ich meine in Halle gelassen hatte. Schock — das beschreibt meinen Zustand ganz gut.
„Ich geh schonmal nach hause“, habe ich zu den anderen gesagt und ganz selbstverständlich unser Haus in Sissa gemeint.
So schnell wie der Kulturschock kam, ist er in der zweiten Woche auch wieder verschwunden. Erst da habe ich angefangen Sissa, das Dorf in dem ich lebe, mit neuen Augen zu sehen. „Ich geh schonmal nach hause“, habe ich zu den anderen gesagt und ganz selbstverständlich unser Haus in Sissa gemeint. Langsam wurden auch die Gesichter auf der Straße bekannter. An manchen Abenden waren wir in der local Bar und haben uns an hoffnungslosen Billard-Spielen gegen die Einheimischen versucht. Wir haben Maureen mit dem Boda (Motorradfahrer, die einen hier an jeden Ort bringen, wo man hinmöchte) besucht, eine ältere Dame, die ganz in der Nähe wohnt und uns herzlich ihre „daughters“ nennt und uns bekocht. Wir sind mit dem Taxi (hier eher vollgestopfte Busse) in einige umliegende Städte und auch Kampala gefahren. Und so nach und nach habe ich mich an den Verkehr, die neuen öffentlichen Verkehrsmittel und den Trubel auf den Märkten und Straßen gewöhnt. Anders als in Deutschland, grüßt man hier fast jede*n auf der Straße mit „Jebalico, how are you?“ Die Antwort darauf sollte immer „I’m fine“ lauten, denn eine wirkliche Erklärung deiner Gefühle wäre erstmal nicht angebracht. Geht es einem also schlecht, dann erzählt man das erst, nachdem man gesagt hat, dass es einem gut geht. Generell ist es hier viel leichter Kontakte zu knüpfen, da alles weniger anonym ist. Schon wenn man sich nur ein paar Tomaten kaufen möchte, entsteht meistens ein kleines Gespräch. Oft wird einem hier „Muzungu“ zugerufen, was so viel wie „weißer Mensch“ bedeutet. Das ist aber bei weitem nicht als Beleidigung gemeint, sondern mehr als Bewunderung. Für meine Hautfarbe bewundert zu werden — daran muss ich mich immer noch gewöhnen.
„Elgon Nursery and Primary school“ steht in bunten Buchstaben am Eingangstor meiner Schule. Schon an meinem ersten Tag wurde ich hier herzlich angenommen. Jede Klasse, der ich vorgestellt wurde, empfang mich mit einem individuellen Willkommens-Lied. Erstmal war ich natürlich trotz des offenen Empfangs total überfordert. An meinem zweiten Tag fing dann meine Arbeit so richtig an. Normalerweise, jedenfalls wurde mir das so vor dem FSJ gesagt, sitzt man als unterstützende Lehrkraft eher am Rand und malt Plakate oder korrigiert Hefte. Mit der Erwartung kam ich also in meinem ersten Klassenraum an. Mir wurde ein blaues Heft in die Hand gedrückt und gesagt ich würde jetzt „Science“ unterrichten. Dann war die Lehrerin weg. Und ich alleine mit einer Klasse, in der fast alle Kinder im ersten Moment gleich für mich aussahen (vor allem, weil sich die Kinder hier (Jungen und Mädchen) normalerweise ihre Haare abrasieren, um Zeit und unnötige Schmerzen von Braids zu vermeiden). In dem blauen Heft steht zwar genau was ich an die Tafel schreiben und den Kindern als Aufgabe geben soll, aber bei Science hat mir das leider nicht so viel gebracht. Ich habe in dieser Stunde vieles falsch ausgesprochen und meiner Meinung nach keinen guten Unterricht kreiert, aber ich habe viel über Insekten und Krankheiten in Uganda gelernt. Nach der Stunde habe ich gesagt, dass ich lieber erstmal zusehen würde, wie die Lehrer*innen an der Schule unterrichten. Die nächsten Tage liefen besser. Ich habe von da an vor allem Englisch unterrichtet. Zwar stehe ich immer noch alleine vor den Klassen, aber mittlerweile mit mehr Selbstbewusstsein und Struktur. Ich finde so langsam meinen Rhythmus, merke mir die Namen der Kinder und vor allem macht mir das Unterrichten mittlerweile viel mehr Spaß. Trotzdem ist es für mich immer noch befremdlich, wenn mich die Klasse morgens mit „Good morning teacher Helen!“ begrüßt und sich am Ende der Stunde mit: „Thank you teacher for teaching us!“ bedankt. Ich als Lehrerin, obwohl ich eben gerade noch selbst Schülerin war. Und das nur, weil ich weiß bin und aus Deutschland komme. Das macht mich nicht schlauer, nicht fähiger eine Klasse zu leiten. Und trotzdem wird mir an der Schule so sehr mit den Kindern vertraut.
Ich als Lehrerin, obwohl ich eben gerade noch selbst Schülerin war.
— so anders als in unseren Köpfen — Wüsten, Elefanten, Löwen, Oasen, Strohhütten und leidende Menschen. Ich denke die meisten Menschen in Deutschland assoziieren neben Safaris und der „exotischen“ Tierwelt vor allem Armut, Leid und Hunger mit Afrika. Ich auch, jedenfalls einen sehr großen Teil meiner Kindheit. Ich kenne bis jetzt nur Uganda, und auch da nur einen kleinen Teil, aber was ich gesehen habe, ist so anders als ich immer dachte. Die Menschen hier sind glücklich, viel glücklicher als viele in Deutschland würde ich behaupten. Ja, sie leben in ärmeren Verhältnissen, aber sie leben miteinander. In einer kollektivistischen, nicht individualistischen Gesellschaft, wie wir es gewöhnt sind. Alle unterstützen sich gegenseitig, niemand wird ausgeschlossen. Fast jede*r hier hat einen tiefen Glauben in Gott. Der Regen hat die Ernte zerstört? Kein Grund traurig zu sein, denn Gott hat einen Plan für jede*n. Die Landschaft hier ist nicht karg und trocken, wie ich sie mir immer vorgestellt habe, sondern voller Leben. Auf der Straße stehen überall kleine Stände, die Streetfood oder Gemüse und Obst verkaufen. In den Städten gibt es Einkaufsmalls, Zoos, botanische Gärten und Fußballstadien. Ja, in Deutschland haben wir mehr, aber ich bin seit meiner Ankunft hier der festen Überzeugung, dass „weniger“ wirklich „mehr“ ist. Brauchen wir wirklich diese Masse an Produkten, die wir kaufen können? Brauchen wir den Kram, der unbenutzt bei uns zu Hause verstaubt? Brauchen wir diesen 15. Pullover im Kleiderschrank?
Vielleicht sollten wir nicht bemitleidend auf die Menschen hier sehen, die eben von allem ein bisschen weniger haben, sondern uns fragen, ob wir so viel von allem brauchen.